Auftrag – hinterfrage den Bauherrn

Baue so wenig Haus wie möglich, plane an gut erschlossenen Lagen und erhalte die Substanz: fünf Klimatipps rund um Raumprogramm, Standort, Umbau vs. Neubau, Dichte und Hochhaus.

Fotos: Andrin Winteler

Baue so wenig Haus wie möglich, plane an gut erschlossenen Lagen und erhalte die Substanz: fünf Klimatipps rund um Raumprogramm, Standort, Umbau vs. Neubau, Dichte und Hochhaus.

 

1 Raumprogramm: Die Bestellung hinterfragen

Erstelle so wenig Haus wie möglich. Die Suffizienz, die Genügsamkeit, ist die grösste Stellschraube. Wer gar nicht in die Ferien fährt, wer keine Kinder hat, wer auf Fleisch verzichtet, spart am meisten Treibhausgase. Hinterfrage also deinen Bauherrn: Braucht es wirklich einen Neubau? Muss die Wohnung tatsächlich drei Bäder haben? Ist die Tiefgarage nötig? Der Klimahebel ist bei der Bestellung am grössten, der Interessenkonflikt allerdings auch. Wer wenig plant und baut, verdient wenig – ob Architekt, Haustechnikplanerin oder Unternehmer. Die Ökonomie verleitet uns alle.

Lass dich nicht von den Zahlen blenden. Die graue Energie wird auf die Energiebezugsfläche pro Jahr gerechnet, um sie mit der Betriebsenergie zu vergleichen. Aussagekräftiger als die Quadratmeter ist aber die Anzahl der Bewohner oder der Arbeitsplätze. Anders gesagt: Nur ein intensiv genutzter Quadratmeter ist ein klimaschonender Quadratmeter. Öffentliche und halböffentliche Räume sind deshalb grundsätzlich im Vorteil. Private können von den Genossenschaften lernen, die oft mit maximal 35 Quadratmetern Wohnfläche pro Person rechnen. Das entspricht dem durchschnittlichen Verbrauch pro Kopf in der Schweiz von 1980.
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2 Standort: Eine Frage der Mobilität

Baue an Orten, die gut erschlossen sind. Der Verkehr verursacht rund ein Drittel der Treibhausgase in der Schweiz und ist damit der grösste Klimatreiber hierzulande. Ein Minergie-Zertifikat nützt wenig, wenn das Auto in der Garage und die dafür nötige Infrastruktur das eingesparte CO2 wieder verpuffen. Der SIA-Effizienzpfad Energie und Label siehe 33 wie SNBS oder 2000-Watt-Areal stellen deshalb hohe Anforderungen an den Standort. Im hintersten Bergtal oder im abgelegenen Weiler wohnt nur ein Eremit klimaschonend.

Ansonsten gilt: Baue dort, wo schon gebaut ist, zum Beispiel mit einer Aufstockung. Baue in der Ebene – am Hang sind aufwendige Fundationen im Tiefbau nötig, die viel Material verschleissen. Und baue wenn möglich nicht im Grundwasser, auch dafür sind CO2-spuckende Konstruktionen nötig.
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3 Umbau: Graue Energie erhalten

Umbau oder Neubau? Eine pauschale Antwort auf diese Frage gibt es nicht, weshalb Architekturwettbewerbe diesen Punkt offenlassen sollten. Doch im Zweifelsfall und wenn die Nutzung dies erlaubt, ist der Umbau die bessere Variante. Instandsetzungen stossen zwar im Betrieb mehr CO2 aus, verursachen aber rund vierzig Prozent weniger graue Treibhausgase als ein Neubau. Ausnahmen sind Gebäude mit besonders hoher Betriebsenergie wie Laborbauten, Krankenhäuser oder Schwimmbäder, weil dort die Erstellung nicht so stark einschenkt. Für den Umbau spricht auch die Zukunft: Der Betrieb könnte dereinst klimafreundlicher werden, zum Beispiel wegen eines ökologischeren Strommixes. Die grauen Treibhausgase aber entweichen heute in die Atmosphäre. Und denke daran: Ein Abbruch vernichtet immer Substanz, auch wenn die graue Energie bei einem mehr als sechzigjährigen Gebäude rechnerisch bereits abgeschrieben ist (Dauerhaftigkeit).

Generell sind Umbauten und Sanierungen für das Klimaziel entscheidender als Neubauten, weil die Schweiz weitgehend gebaut ist. Da nur rund ein Prozent des Bestands jährlich erneuert wird, dauert es viel zu lange, bis alte Energieschleudern aufhören zu rauchen. Umso wichtiger ist, dass Architekten pro Sanierungsfranken möglichst viel CO2 einsparen. Wie das gelingt, zeigt die Empa-Studie ‹Der Weg zum energieeffizienten Gebäudepark›. Ausser bei Neubauten aus der letzten Dekade gilt unabhängig vom Alter der Häuser: Öl-, Gas- oder Elektrodirektheizungen müssen weg. Sonst lässt sich das Netto-Null-Ziel nicht erreichen, selbst wenn die gesamte Gebäudehülle saniert wird. Ausserdem: Wer umbaut, sollte die Tragstruktur möglichst nicht berühren, hier steckt die meiste graue Energie. Und: Kluge Etappierungen kombinieren die Vorteile von Neu- und Umbau.
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4 Dichte: Synergien nutzen

Die Verdichtung hilft dem Klima auf vielfältige Weise. Sie reduziert den Verkehr, weil mehr Menschen an gut erschlossenen Standorten wohnen und arbeiten. Sie fördert die Kompaktheit der Bauten, einer der grössten Hebel auf Gebäudeebene. Sie erlaubt Synergien zwischen Nutzungen, etwa wenn die Abwärme eines Supermarkts die Wohnungen darüber heizt. Und die Dichte ermöglicht eine effiziente Energieversorgung, zum Beispiel mit einem Fernwärmenetz. Allerdings ist eine dichte Überbauung nur dann klimaeffizient, wenn sie auch dicht genutzt wird (Raumprogramm).
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5 Hochhaus: Verdichten geht auch anders

Hochhäuser sparen Boden. Aber ihre Konstruktion ist aufwendig, weil die Lasten und die gesetzlichen sowie die technischen Anforderungen mit den Höhenmetern zunehmen. Ab einem gewissen Punkt kippt die Bilanz selbst ökonomisch ins Minus. Die Höhe dient dann nur noch der Selbstdarstellung. Hochhäuser sind darum nicht die erste Wahl für die klimabewusste Architektin. Verdichten lässt sich meist auch mit einer normalen Geschosszahl, also mit fünf bis acht Stockwerken. Allerdings: Ein Hochhaus ist immer noch besser als ein Einfamilienhaus.
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Wie gross der Effekt ist, zeigen die null bis fünf Punkte.

33 Klimatipps für Architekten:
Editorial – postfossile Pflicht
Auftrag – hinterfrage den Bauherrn
Gebäude – die Effizienz der Kiste
Konstruktion – leicht und beständig
Material – wenig verbauen, wieder verwerten
Energie – die Kraft der Natur
Umsetzung – Material kostet wenig, Arbeit viel

Kommentare

Stefanie 26.05.2020 17:24
Keine Kritik, nur mal ein Danke fürs gendern <3
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