Sechs Projekte von angehenden Architektinnen und Architekten aus der Schweiz und Deutschland hat die Jury in der Endrunde diskutiert und bewertet.
Komplexe Antwort
Das Projekt von Thore Burmeister und Max Passgang sieht eine Aufstockung um zwei Geschosse und eine neue Fassade vor. Diese ist, je nach Geschoss, unterschiedlich gestaltet und weist so auf die dahinter liegenden Nutzungen hin. Im Gebäudeinnern bleiben die bestehenden Treppenhäuser erhalten. Öffentliche und halböffentliche Nutzungen sind im Erdgeschoss vorgesehen, im zweiten Obergeschoss finden Co-Working-Flächen Platz und in den neuen Dachgeschossen gemeinschaftliche Nutzungen. Die einzelnen Stockwerke können mit Möbeln, Boxen, verschiebbaren Regalen, Vorhängen und Modulen frei konfiguriert werden. Für die Jury zeigt das Projekt exemplarisch die Komplexität der Aufgabenstellung. Der vorgestellte Lösungsansatz liefert zwar Antworten auf viele der gestellten Fragen, verliert sich aber teilweise zu sehr in Details – der Blick fürs Ganze geht stellenweise verloren.
Verfasser
Thore Burmeister (24) und Max Passgang (25), Leibniz Universität Hannover
Tag und Nacht
Der Entwurf von Sarah Pens und Jennifer Horschig orientiert sich stark am Bestand. Das vorhandene Gebäudevolumen bleibt erhalten, ebenso eines der beiden Treppenhäuser. Der Zwischenbau wird durch eine transparente Konstruktion ersetzt, die beide Gebäudeteile auf jedem zweiten Stockwerk verbindet. Die horizontale Erschliessung erfolgt über hofseitige Laubengänge. Das Innere des Gebäudes ist wechselweise in Tag- und Nachtgeschosse unterteilt. Die Tagebenen bestehen aus quadratischen Grundmodulen, die mit schieb- und drehbaren Wänden verändert werden können. Die über eine interne Treppe verbundene Nachtebene umfasst neben Schlaf- auch Durchgangs- und Schaltzimmer. Diese können als Gästezimmer gemietet oder zur Wohnung hinzugeschlagen werden. Die Jury beurteilt den Ansatz als interessante Lösung, hätte sich aber eine radikalere Umsetzung gewünscht. So wäre es möglich, die Nachtzonen, wo nur geschlafen wird, wesentlich kompakter zu gestalten als die Tagzonen. Statt in Tag- und Nachtbereiche hätte das Gebäude auch in private und halbprivate Zonen unterteilt werden können.
Verfasserinnen
Sarah Pens (26) und Jennifer Horschig (25), Leibniz Universität Hannover
Diagonal überlagert
Beim Entwurf von Tim Guckelberger, Julian Fellner und Philip Kaloumenos bleibt das Bürohaus samt einem Teil der Fassaden erhalten. Einzig auf der Seite des Hofraums, zwischen den beiden Gebäudetrakten, schlagen sie eine grosszügig bemessene Balkonschicht vor. Auch im Innern wird viel vom Bestand übernommen – darunter die beiden Treppenhäuser. Die öffentlichen Räume befinden sich vor allem im Erd- und im Dachgeschoss, die restlichen Stockwerke bieten einen Mix aus Wohnen und Arbeiten. Für die Bereitstellung der neuen Räume überlagern sie die orthogonale Struktur des Gebäudes mit einem diagonalen Raster. Dadurch entstehen unterschiedlich grosse und geformte Räume, mit denen grosse und kleine Wohn- und Arbeitsbereiche gebildet werden können. Für die Jury ist das diagonale Raster ein zwar utopischer, aber mutiger Ansatz. Er schafft allerdings auch einige Probleme. So entstehen teilweise eher dunkle Räume, und dort, wo die neue Struktur auf die bestehenden Fassaden trifft, entstehen teilweise Probleme.
Verfasserinnen
Tim Guckelberger (26), Julian Fellner (29) und Philip Kaloumenos (27), Technische Universität Wien
Kombinierbare Wohneinheiten
Celina Rodewald und Lena Polte versehen das Bürohaus mit einer neuen, filigranen Fassadenschicht. Diese dient der vertikalen Erschliessung und als halbprivater Aussenraum. Die beiden Gebäudeteile sind auf jedem zweiten Stockwerk über Brücken miteinander verbunden. Die bisherige vertikale Erschliessung wird durch zwei neue Treppenkerne ersetzt. Öffentliche und halböffentliche Räume sind im Erdgeschoss untergebracht, Gemeinschaftsräume und ein Yogaraum finden im Dachgeschoss des L-förmigen Gebäudeteils Platz. Die restlichen Geschosse dienen dem Wohnen. Jeweils im Bereich der beiden mittigen Stützenreihen sind in regelmässigen Abständen Medienschächte und Sanitärräume angeordnet. Die restlichen Flächen können mit Raummodulen bespielt werden, die sich zu unterschiedlich grossen Wohneinheiten kombinieren lassen. Der weitgehende Erhalt der bestehenden Struktur und die teilweise Bereitstellung grossflächiger Räume zur freien Nutzung wird von der Jury positiv beurteilt. Sie findet aber den Ersatz der Treppenhäuser unnötig und hätte sich vor allem im Wohnbereich mehr Innovation gewünscht.
Verfasserinnen
Celina Rodewald (26) und Lena Polte (27), Leibniz Universität Hannover
Freie Spielflächen
Kimberly Rahn und Ole Brederlau erweitern das bestehende Volumen auf der Aussenseite mit einer neuen Schicht, die der vertikalen Erschliessung dient und Platz für Balkone sowie Wintergärten bietet. Zusätzlich ersetzen sie das Attikageschoss durch einen neuen, zweistöckigen Aufbau. Die Geschossflächen werden komplett ausgeräumt und die bestehenden Treppenhäuser von einer zentralen Erschliessung abgelöst. Sanitär- und Küchenmodule bilden die einzigen fixen Elemente in den Grundrissen. Die restliche Fläche kann mit verschiebbaren Schlaf- und Arbeitskojen frei bespielt werden. Die öffentlichen Nutzungen befinden sich im Erd- sowie im ersten Obergeschoss, die darüber liegenden Stockwerke werden für Wohnen und Arbeiten genutzt. Der Dachaufbau bietet Platz für das sogenannte Hallenwohnen und Sporträume. Die Jury findet den Ansatz mit den frei beispielbaren Flächen interessant, ebenso die Überlagerung der bisherigen Stützenstruktur des Gebäudes mit den neuen Wohn- und Arbeitswelten. Aus Sicht des Beurteilungsgremiums hätte, ohne Abstriche am Konzept, ein grösserer Teil des Bestandsgebäudes weiterverwendet werden können – beispielsweise die beiden Treppenhäuser.
Verfasser
Kimberly Rahn (28) und Ole Brederlau (31), Leibniz Universität Hannover
Hohe Scheibe
Das Projekt von Antonia Haffner und Johannes Hertel setzt sich vertieft mit dem städtebaulichen Kontext auseinander. Als Reaktion darauf stocken sie die beiden nördlichen Flügel des Bestandsbaus zu einer zwölfgeschossigen Hausscheibe auf. Das Innere des hohen Gebäudeteils ist als Zweispänner organisiert mit Wohnungsgrössen zwischen 2.5 und 5.5 Zimmern. Die öffentlichen Nutzungen sind im Erdgeschoss angeordnet, im westlichen Flügel des Altbaus sind Grosswohnungen untergebracht, im östlichen Teil kleinere, über Laubengänge erschlossene Wohneinheiten. Die gemeinschaftlichen Räume befinden sich im Dachgeschoss. Der Jury gefällt die Idee der Aufstockung, es ist aber unklar, ob diese statisch realisierbar wäre. Kritisiert wird zudem die sehr klassische Wohnungsstruktur, die der Forderung nach einem vernetzten Leben entgegensteht. Die Jury hätte sich zudem gewünscht, dass die Chancen einer Aufstockung besser genutzt würden – etwa mit anderen Geschosshöhen als im Altbau.
Verfasser
Antonia Haffner (27), Leibniz Universität Hannover und Johannes Hertel (27), Akademie der Bildenden Künste Stuttgart
Dieser Artikel ist Teil der Themenwebsite ‹Vom Bürohaus zum Lebensraum›, einer Kooperation von Hochparterre und Hawa Sliding Solutions anlässlich des Hawa Student Awards 2023.