Die «Seestadt Aspern» nördlich der Donau soll 20'000 Menschen als Wohnraum dienen. Sie ist nur eines der Grossprojekte in der am stärksten wachsenden Stadt Europas. Fotos: schreinerkastler.at

Wien wächst um Graz

In Wien werden bis 2030 etwa 270'000 neue Einwohner erwartet. Das entspricht Graz als zweitgrösster Stadt in Österreich.

Zürich rechnet bis 2030 mit weiteren 47'000 Einwohnern. Für Wien ist diese Zahl gering, muss die Stadt doch jährlich Raum für 15'000 weitere Menschen schaffen. Vor allem aus Deutschland und Ungarn kommen Zuzüger, die Geburtenrate steigt und die Stadtflucht ist vorbei. Junge kommen aus strukturschwachen Regionen, Familien haben die Agglomeration satt und Ältere die Einsamkeit auf dem Land. Wenn diese Trends anhalten, «dann müssen wir bis 2030 innerhalb von Wiens Grenzen eine Stadt bauen, die so gross wie Graz ist», zitiert der «Tages-Anzeiger» die grüne Stadträtin Maria Vassilakou. Um die Dimensionen zu verdeutlichen: Mit 270'000 Einwohnern ist Graz die zweitgrösste Stadt Österreichs.
Die sozialdemokratische Wiener Stadtregierung ist stolz auf ihre Vergangenheit des Sozialwohnungsbaus. Grossmassstäblich Planungen sollen verhindern, dass die Immobilienpreise im «roten Wien» ausser Kontrolle geraten: Rund um den neuen Hauptbahnhof entsteht ein Wohnquartier mit 35 Hektaren. Der alte, 44 Hektar grosse Nordwestbahnhof soll nach Plänen der Zürcher Ernst Niklaus Fausch durchmischt entlang eines langen Stadtparks bebaut werden. Zum Vergleich: Die Europaallee misst knapp acht Hektar.

Das grösste Projekt ist jedoch die Seestadt. Das nördlich der Donau liegende, ehemalige Flughafengebiet soll allein 20'000 Einwohner aufnehmen. Rund um einen künstlichen See liegt ein kreisförmiger Boulevard, der die Idee der Ringstrasse aufnimmt. Statt Garagen unter den Hochhäusern gibt es Sammelgaragen bei den U-Bahn-Stationen, statt Shopping-Center gibt es Ladenzeilen. Ein Beirat mit Architekten und Soziologen überwacht die gesamte Entwicklung. Stadtplaner Richard Seiss, Autor des Buches «Wer baut Wien?», kritisiert viele seit der Wende 1989 entstandenen Projekte als «rückschrittlich und teils menschenverachtend». In der Seestadt hingegen werde das erste Mal so geplant, «wie man es seit 20 Jahren tun solle». Ob Vielfalt und Kleinteiligkeit Zuzüger in das Gebiet nördlich der Donau locken werden, ist noch ungewiss. Angesichts des ungeheuren Drucks können die Projektierenden aber zuversichtlich sein.

Weitere Meldungen:


– Wie der «Tages-Anzeiger» meldet, fällt Zürich an der Riedtlistrasse 73 Bäume für eine neue Veloroute. 15 weitere Eingriffe sind allein in der Innenstadt geplant, um Engpässe für Fahrräder zu öffnen. Der «Tages-Anzeiger» stellt die Planungen am Veloroutennetz detailliert vor.

– Das Lausanner Musée cantonale des Beaux-Arts von Barozzi Veiga aus Barcelona rückt näher an den Baustart. Wie die «NZZ» meldet, hat die Waadtländer Regierung beim Parlament 43.5 Millionen Franken beantragt. Weiteres Geld soll von privaten Geldgebern kommen.

Die «NZZ» würdigt den Zürcher Güterbahnhof von 1897 als bedeutende Architekturleistung mit grosser wirtschaftsgeschichtlicher Bedeutung. Die im Mai begonnenen Abbrucharbeiten sind nun fertig, es folgen Altlastensanierung und Aushub für den ab 2015 errichteten Bau des Polizei- und Justizzentrums. Der Bau von Theo Hotz soll 570 Millionen Franken kosten.

– Vorerst bleiben Besetzter auf dem Zürcher Labitzke-Areal. Wie die «NZZ» weiss, diskutieren nun der Stadtrat und die Mobimo, die eine grosse Wohnüberbauung plant. Bis geklärt ist, ob der Abbruch zum gegenwärtigen Zeitpunkt gerechtfertigt ist, wird die Polizei nicht aufmarschieren.

– Als «einzige Kantine für die Büroangestellten, die durch Touristen querfinanziert werde» beschreibt Hannelore Schlaffer heutige Grossstadtzentren. Die «NZZ» rezensiert eingehend ihre kulturpessimistische, «grimmige Verlustgeschichte» in Buchform. Ohne revolutionäres Potenzial oder Utopie zeichnet diese ein düsteres Bild des Wandels von der bürgerlichen Stadt der Flaneure zur leeren Kulisse von Ökonomie und Demokratie.

– Bis Ende Februar widmet das Landesmuseum Oldenburg seinem Gründungsdirektor Walter Müller-Wulckow eine Ausstellung ausgehend von seinen «Blauen Büchern» zur Baukunst. Die vier zwischen 1925 und 1930 veröffentlichten Bücher zählten zu den damals meistgelesenen über die deutschsprachige Architektur-Avantgarde. Die «NZZ» lobt die Oldenburger Ausstellung als «bestechende Sichtung seines baukulturellen Lebenswerks».

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