Vom Boom zur Balance

In der Pandemie durften Restaurants ihre Aussenbereiche ausdehnen. Nun fragt sich, wo der zusätzliche Konsum andere Ziele im öffentlichen Raum befördert und wo nicht.

In Zusammenarbeit mit ZORA

In der Pandemie durften Restaurants ihre Aussenbereiche ausdehnen. Nun fragt sich, wo der zusätzliche Konsum andere Ziele im öffentlichen Raum befördert und wo nicht.

Es gab eine Pandemiephase, in der man drinnen bleiben musste  im allgemeinen Lockdown. Und es gab eine Phase, als man draussen bleiben musste  vor Bars, Cafés und Restaurants, die zeitweise nur an der frischen Luft bewirten durften. Damit die Gäste Abstand halten konnten, erlaubten Städte und Gemeinden den Betrieben grössere Aussenbereiche auf öffentlichem Grund. Unkompliziert: Eine Bewilligung war nicht nötig, und Gebühren wurden gesenkt oder ganz erlassen, wie die nachfolgenden Berichte aus den Städten zeigen.

Die befragten städtischen Verwaltungen sind froh, dass sie der Gastronomie in einer schwierigen Lage unter die Arme greifen konnten. Man freute sich auch, dass dies half, Strassen und Plätze wiederzubeleben. Zufrieden ist ausserdem der Verband für Hotellerie und Restauration, Gastrosuisse: «Die erweiterten Aussenflächen ermöglichten es den Betrieben, die eingeschränkten Kapazitäten etwas zu kompensieren», schreibt Daniela Kimmich vom Verband auf Anfrage. «Sie trugen zu einer besseren Auslastung bei, und das hob die Wirtschaftlichkeit.»


Zu viel des Guten

Verwaltungen benennen aber auch die Nachteile des Gastrobooms. Besonders die Altstädte erfasste dieser Boom in einem derartigen Ausmass, dass das Stadtbild darunter litt, wie es etwa aus Aarau oder St. Gallen heisst. Teils konnten Fussgängerinnen und Fussgänger nicht mehr kreuzen wegen der zusätzlichen Tische auf den Trottoirs. Oder Trauben von Gästen wichen zum Schwatzen, Trinken oder auch zum Anstehen auf die Strassen aus, wo es gefährlich werden konnte. Und die Orgie der Pflanztröge, mit denen Wirtinnen und Wirte ihre Schützlinge schon immer gerne abschirmten, verursachte nun wehrhafte Umfassungen im öffentlichen Raum. Auch der Lärm wurde da und dort beklagt.

Manche Städte haben die Zusatzflächen darum wieder abgeschafft. Andere gewähren sie bis Herbst. Für das nächste Jahr sind Baubewilligungen nötig. Doch die Gastroszene macht Druck  sie möchte das eroberte Terrain nicht wiederhergeben. Das wirft Fragen auf: Was gewinnt der öffentliche Raum, wenn die Gastronomie sich ausdehnt, und was geht verloren? Welchen Anteil soll der Konsum vereinnahmen, und wie sorgt man überall  auch an begehrten Lagen  für den nötigen Ausgleich? Wer und was wird verdrängt?


Platz für alle und alles

Randständige litten zwar in der Pandemie aus vielen Gründen, erklärt Simon Weis von Sicherheit Intervention Prävention (SIP) Zürich. Sie galten generell als «Corona-verdächtig» und wurden stärker gemieden als ohnehin. Mehr Gastronomie aber betrachtet Simon Weis nicht als Bedrohung. Im Gegenteil: «Wenn Restaurants sich ausbreiten und länger geöffnet sind, dann sind mehr Orte belebt und mehr Menschen unterwegs. Und dann fallen Gruppen wie Alkoholikerinnen, aber auch Jugendliche weniger auf und stehen weniger unter Generalverdacht.»

Im Gegenzug fordert Weis jedoch, dass auch die nicht-kommerzialisierten Flächen nützlich und einladend gestaltet und unterhalten sind. «Es braucht überall genug Sitzgelegenheiten und öffentliche Toiletten.» Aus den grösseren Gastrobereichen abzuleiten, dass die öffentliche Hand weniger Infrastruktur bereitstellen muss, wäre der falsche Schluss.

Pandemie und Klimawandel festigen die langjährige Tendenz: Boulevardcafés und Biergärten sind auch hierzulande ein fester Bestandteil des Strassenbilds und des Strassenlebens, ja, der Stadtentwicklung geworden. Und natürlich ist es erfreulich, wenn viele sich den Gang ins Restaurant oft und gerne leisten können. Aber wir haben im öffentlichen Raum auch noch viel anderes vor. Attraktive Fuss- und Velowege einzurichten, erfordert Platz; mehr Vegetation für die Biodiversität und gegen die Hitze wachsen zu lassen, erfordert Platz. Sollen sich die vielzitierte Partizipation und die Aneignung im öffentlichen Raum entfalten, setzt dies vor allem eins voraus: Platz. Dann darf nicht jeder freie Fleck verplant oder vermietet sein. Neben all dem braucht es auch Leere. Je intensiver die Nutzung der einen öffentlichen Räume, desto notwendiger ist die Leere in anderen.
 


Berichte aus sechs Städten



Aarau, August 2021: Lebensfreude in der Altstadt. Nach der Pandemie stutzt die Stadt die Gastroflächen jedoch wieder etwas zurück. Fotos: Jiří Vurma

Aarau: Verkleinerung der Aussenrestaurants
Gespräch mit Anna Borer, stv. Stadtbaumeisterin und Co-Leiterin Stadtentwicklung, Aarau


Die Aarauer Altstadt wandelt sich zu einem gastronomischen Hotspot. In der Pandemie legte die Gewerbepolizei für die zahlreichen Restaurants, Betrieb für Betrieb, mögliche Zusatzflächen fest  meist vor dem Lokal, teils auch vor dem Nachbarhaus. Weil keine absolute Gleichbehandlung möglich war, verlangte dies Fingerspitzengefühl.

Trotz des Wohlwollens in der Bevölkerung zeigten sich allmählich negative Aspekte der Ausdehnung, sagt Anna Borer. Zugänge waren verstellt, noch mehr Velos als sonst standen herum, und wo in den autofreien Gassen noch der Bus zirkuliert, konnten Passanten kaum noch ausweichen. Auch Jugendliche seien teils verdrängt worden, etwa weil der Schlosspark zum Biergarten umgenutzt wurde. Die Gastronomie habe das Altstadtbild fast überprägt, meint Anna Borer. Dies veranschaulichen Bilder, auf denen die Plätze wirken, als finde ein permanentes Foodfestival statt. Die Stadt hat die Flächen darum wieder verkleinert. «Nicht ganz zurück zum früheren Zustand, aber abgestimmt auf andere Nutzungen.»

Auch das Aareufer werde stärker genutzt, und die Menge an Abfall und Schmutz sei in der Pandemie gestiegen, sagt Anna Borer. Nicht zuletzt, weil man vor einiger Zeit alle öffentlichen Toiletten bis auf drei geschlossen und auf das ‹Nette Toilette›-Konzept gesetzt habe. Doch wenn Restaurants wie im Lockdown geschlossen sind, scheitert dieses Konzept. Zurzeit richtet die Stadt neue Zugänge für das Baden in der Aare ein und baut die dritte Buvette am Flussufer. Zudem hat sie mit dem Mühlematthof die letzte grosse private Liegenschaft am Ufer gekauft. «Die intensivere Nutzung der öffentlichen Räume infolge der Pandemie fällt zusammen mit einer allgemeinen Urbanisierung, ausgelöst etwa von Zuzügerinnen und Zuzügern aus grösseren Städten», stellt Anna Borer fest.

Aarau startet nun den Prozess ‹Altstadtentwicklung›: Gemeinsam will man herausfinden, ob die Altstadt ruhig und unmöbliert sein soll, also eher museal  oder ob es laut und bisweilen etwas chaotisch sein darf; ob die Aufteilung in einen ruhigeren und einen lauteren Teil weiterhin funktioniert; wie sehr sich die Gastronomie in den Erdgeschossen breitmachen soll. Und wo sich die vielen Velos unterbringen lassen.


Rheinfelden, 2022:Ein neuer Plan zeigt, wo und wie stark der öffentliche Grund in der Altstadt kommerziell genutzt wird. Grün: Vermietete Flächen. Plan: Stadt Rheinfelden; Bearbeitung: Hochparterre

Rheinfelden: Ein neuer Plan für die Allmendflächen
Gespräch mit Corinne Caracuta, City-Managerin, Rheinfelden


Als City-Managerin ist Corinne Caracuta die Drehscheibe zwischen Gewerbe, Vereinen und Stadtverwaltung in Rheinfelden. Die Stadt erlaubte in der Pandemie grössere Aussenbereiche ohne Spezialbewilligung, Kontrolle und Gebühren. Im Lockdown entstanden Take-aways mit Websites, ein Innovationsschub für Rheinfelden, so Caracuta.

Seit dem zweiten Halbjahr 2022 erhebt die Stadt wieder Gebühren. Die City-Managerin prüfte mit jedem Betrieb den Boulevard-Nutzungsvertrag, um festzulegen, welche Flächen bestehen bleiben könnten. Eine Baubewilligung verlangt Rheinfelden weiterhin nicht. Anhand des Reglements für die Nutzung des öffentlichen Grundes prüft das City-Management zusammen mit der Polizei Abstände, Mobiliar und Dekorationselemente. So werden Anträge auf Nutzung von Allmendfläche zügig, in der Regel innerhalb von zwei Wochen, abgewickelt.

Im Frühjahr liess Caracuta zudem jede kommerzielle Fläche auf Allmendboden vermessen und anhand der Daten einen Stadtplan erstellen. Was bisher als Excel-Datei existierte, ist jetzt visualisiert. «Wir erfassen die Verteilung der Flächen auf einen Blick und können Kennzahlen erheben. Dank des Plans werden auch Leerstände ersichtlich, und wir können sie gezielter bewirtschaften. Auch die Gewerbepolizei profitiert vom Plan: Sie kann Flächen nun an Ort und Stelle per Handy überprüfen.»


Basel, April 2021: Am Rhein tummeln sich die Menschenmassen, bis die Restaurants wieder öffnen dürfen.Foto: Keystone / Stefan Bohrer

Basel: Mehr Verständnis für Prozesse
Gespräch mit Daniel Arni, Tiefbauamt des Kantons Basel-Stadt, Leiter Allmendverwaltung


Die Stadt Basel erlaubte Betrieben, ihre bewilligten Boulevardflächen so weit wie möglich auszudehnen, solange Durchgänge und Sicherheitsbestimmungen gewahrt blieben. «Weil wir das personell nicht hätten prüfen können, setzten wir auf Eigenverantwortung  und das hat funktioniert», berichtet Daniel Arni. Als indirekte Kontrollinstanz wirkten Reklamationen, wovon jedoch nur wenige eintrafen. Die Betriebe durften auch die Parkplätze als Gastflächen nutzen, wenn sie dies meldeten; sechs Restaurants nahmen die Option in Anspruch. Die Regelungen gelten noch bis Oktober 2022, danach sind für die Zusatzflächen wieder eine Baubewilligung und Gebühren fällig. Wie viele Betriebe die grösseren Flächen beibehalten wollen, ist offen. Daniel Arni schätzt, dass die Nachfrage infolge der Pandemie gestiegen ist.

Der Basler Grosse Rat möchte den Betrieben die Gebühren für die gesamte Zeit der Corona-Bestimmungen erlassen, ein Vorstoss dazu ist in Bearbeitung. Da es um Hunderttausende Franken geht, arbeitet die Verwaltung zurzeit eine Vorlage aus.

Generell habe man kulant reagiert, wenn es um betriebliche Anliegen im Aussenraum ging, sagt Arni. Es gab vereinzelt Läden und Cafés, die ihre Produkte vor dem Geschäft verkaufen wollten, als sie schliessen mussten. «Wir boten solche Möglichkeiten nicht aktiv an, zeigten uns aber bei Anfragen offen.» Im Unterschied zu den üblichen Prozessen habe man den Ermessensspielraum stärker ausgereizt, jedoch ohne rechtliche Risiken einzugehen. «Mein Eindruck ist, dass uns dieses Ausloten und die Gespräche insgesamt mehr Verständnis für den Bewilligungsprozess verschafft haben», bilanziert Arni.


Luzern, September 2021: An der Frankenstrasse im Neustadt-Quartier werden Gäste auch auf ehemaligen Parkplätzen bedient. Foto: Stadt Luzern

Luzern: Massgeschneiderte Gastronomieflächen, fortgesetzte Pilotprojekte
Gespräch mit Christoph Bättig, Stabschef Direktion Umwelt, Verkehr und Sicherheit, Stadt Luzern


In Luzern begrüsste man grundsätzlich grössere Aussenrestaurants. Christoph Bättig erwähnt die Burgerstrasse, die durch zusätzliche kleine Gastroflächen belebt wurde: «Gut für das Strassenbild, gut für die Atmosphäre.» In der Neustadt, etwa an der Winkelriedstrasse, durften die Betriebe auch auf Parkplätzen wirten. Dort wurden die Durchgänge für den Fussverkehr allerdings teils schmal. Am Mühleplatz kamen sich Tische, Stühle, Fussgänger und Velofahrerinnen vermehrt in die Quere.

Ein Luzerner Extremfall ist der Bereich Rathausquai und Unter der Egg: Hier montierte die Stadt zwei öffentliche Sitzbänke ab, um mehr Platz für Cafés zu schaffen  und schränkte damit die freie Nutzung des Orts zugunsten der kommerziellen ein. Ob das so bleibt, müsste laut Bättig nun anhand eines Baugesuchs entschieden werden, das der Betrieb einzureichen hätte.

Das Potenzial habe sich deutlich erweitert, stellt Bättig fest, denn als Richtwert war die Verdopplung der gastronomischen Aussenfläche erlaubt. «Wir haben jeden einzelnen Platz untersucht und werden zusätzliche Flächen im ordentlichen Baugesuchsverfahren dauerhaft bewilligen oder wieder verkleinern. Wo möglich, möchten wir sie beibehalten, aber massschneidern.» Auch Luzern erprobt ‹mediterrane Nächte› mit Gastro-Öffnungszeiten am Wochenende bis ein Uhr nachts, was weitere Anhaltspunkte für die Nutzung des öffentlichen Raums liefern wird.

Die Pilotphase Corona bilanziert Bättig positiv. «Oft muss die Verwaltung darauf achten, dass sie keine Präjudizien schafft. Das entfiel in der ausserordentlichen Situation  wir mussten rasch entscheiden.» Bättig möchte bei geeigneten Platz- und Strassengestaltungen mit Pilotphasen und Pop-up-Projekten weiterarbeiten. «Damit erreichen wir, parallel zu den umfangreichen, oft langwierigen Planungsprozessen bis zur Realisierung und Inbetriebnahme, schnell und niederschwellig sicht- und spürbare Aufwertungen und lernen für die langfristige Gestaltung.»


St. Gallen, April 2022: Feierabend an der Rosenbergstrasse. Die Bar darf ihre Tische auf beiden Seiten des Trottoirs aufstellen.

St. Gallen: Auslotung von Nutzungskapazitäten
Gespräch mit Florian Kessler, Stadtplaner St. Gallen


Um elf Prozent sind die St. Galler Boulevardrestaurants in der Pandemie gewachsen siehe Seite 25. Eine formlose Meldung genügte. Auch mobile Bauten waren erlaubt. Solche gewährt das kantonale Planungs- und Baugesetz im privaten Bereich während dreier Monate pro Kalenderjahr ohne Bewilligung. St. Gallen dehnte die Regel auf den öffentlichen Raum aus; sie gilt noch bis Ende 2022.

«Die grösseren Aussenwirtschaften waren breit akzeptiert», sagt Stadtplaner Florian Kessler. Auch er selbst nahm sie positiv wahr. «Die luftig angeordneten Cafés hatten etwas Grosszügiges.» Die vitale Aussengastronomie habe das öffentliche Leben trotz Pandemie aufrechterhalten. Gerade der Altstadt habe dies gutgetan: «Dort wirkten die leeren Gassen besonders eigenartig.»

Per 31. März 2022 hat die Stadt die Zusatzflächen jedoch wieder aufgehoben. Die Denkmalpflege hatte kritisiert, dass zusätzliche grossformatige Sonnenschirme die Sicht auf die Altstadt beeinträchtigten. Da und dort  an der Multergasse zum Beispiel  seien sich auch Cafés, Velofahrer und Fussgängerinnen in die Quere gekommen, sagt Florian Kessler.

Jetzt können Betriebe ein Baugesuch für die Zusatzfläche einreichen; ein Teil ist bereits bewilligt. Man prüfe diese Gesuche wie üblich funktional und ortsbaulich, so Kessler. «Die Frage ist: Welche Nutzungsintensität verträgt ein Platz, eine Gasse? Seit 2020 fanden kaum Veranstaltungen statt. Darum kann eine grössere Aussenwirtschaft heute stören, wo sie bis eben noch kein Problem war.» Nun brauche es wieder Platz für Anlässe, Standaktionen, den Markt  für das öffentliche Leben ohne Konsumzwang. Auf Plätzen wie dem Marktplatz oder dem Gallusplatz sind laut Kessler grössere Cafés vertretbar. Sie seien gross genug für verschiedene Nutzungszwecke.

Dass die St. Galler Boulevardgastronomie wächst, hat weniger mit der Pandemie als mit dem Wandel in den vergangenen 20 Jahren zu tun: Zwischen 2002 und 2021 haben sich die Aussenwirtschaften von 75 auf 158 verdoppelt. Zudem hat die Stadt 2021 und 2022 ‹mediterrane Nächte› bewilligt: 28 Betriebe durften von Juni bis August freitags und samstags ihre Aussencafés bis ein Uhr geöffnet lassen. (Anm. der Red.: Der Versuch war bei Redaktionsschluss noch nicht ausgewertet.)


Zürich: Überarbeitung des ‹Leitfadens Boulevardgastronomie›
Gespräch mit Rahel Nüssli, Sozialgeografin, Projektleiterin Strategien Stadträume, und Jacqueline Parish, Landschaftsarchitektin/Raumplanerin, Leiterin Konzepte und Planungen, Tiefbauamt Stadt Zürich


Gastro Stadt Zürich war parat: Gleich im Herbst 2021 forderte der Gastroverband mit der Petition ‹Mehr Wow für Zürich›, die in der Pandemie erweiterten Aussenwirtschaften zu erhalten. Um maximal 30 Prozent hatten die Betriebe die Sitzplätze erhöhen dürfen. Um herauszufinden, wo sich die grösseren Gastroflächen dauerhaft einrichten lassen, überarbeitet die Stadt nun den ‹Leitfaden Boulevardgastronomie›. Bis Oktober 2022 sind die erweiterten Flächen ohnehin noch kostenlos erlaubt. Ab 1. März 2023 ist eine neue Baubewilligung nötig, falls die Betriebe grössere Aussenflächen beanspruchen als vor der Pandemie. Auf Gebühren für die Nutzung des öffentlichen Grunds zu verzichten, geht übrigens ins Geld: Von April bis Dezember 2022 nehme die Stadtpolizei 5,9 Millionen Franken weniger ein, gibt die Stadt an.

«Wir wollen einen Ausgleich finden», erklärt Rahel Nüssli. Sie ist im Tiefbauamt zuständig für den Leitfaden. «Wenn die Gastronomie öffentliche Räume belebt und wirtschaftlich davon profitiert, ist das eine gute Wechselwirkung. Daneben sollen auch konsumfreie Aufenthalte weiterhin ausreichend Platz haben und die Ansprüche der Mobilität»  der Fussverkehr, damit Personen mit Kinderwagen und Rollstühlen kreuzen können. Oder der Veloverkehr, der ebenfalls teilweise das Trottoir nutzen muss. «Für all dies sind die vorgeschriebenen zwei Meter Trottoirbreite oft zu schmal.»

Seit Frühling 2022 wirkten sich die grösseren Aussenbereiche stärker auf andere Nutzungsformen aus, sagt Jacqueline Parish, im Tiefbauamt für Konzepte und Planungen zuständig. «Denn nun finden viele Aktivitäten wieder statt. Dieser Normalisierung müssen wir Zeit geben. Auch die Alltagsnutzung erfordert Platz.» Parish möchte die Entwicklung so lenken, dass der Gastroausbau andere Ziele im öffentlichen Raum unterstützt  etwa durch mehr Elemente zur Beschattung des öffentlichen Raums. «Je mehr Platz die Gastronomie einnimmt, desto stärker muss sie sich als Teil des öffentlichen Raums verstehen. Dies gilt besonders für Boulevardgastronomie auf zentralen Plätzen wie dem Sechseläutenplatz oder dem Münsterhof. Der Mehrwert muss gegenseitig sein.»

 

Dieser Artikel ist zuerst erschienen im Themenheft «Vom Lockdown zum befreiten Denken. Wie die Pandemie den öffentlichen Raum und unser Verständnis davon geprägt hat.» Das Themenheft entstand als Zusammenarbeit von Hochparterre und ZORA, Zentrum öffentlicher Raum des Städteverbands.

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