Die Säulenhalle: Endlich ein
Zentrum für Zürich West!

Die Arbeitsgruppe «Die Säulenhalle» fordert, den Raum unter der Hardbrücke vom Verkehr zu befreien und zum Stadtplatz für alle zu machen. Lesen und sehen Sie hier ihre Vorschläge.

In Zusammenarbeit mit IGHZ und Hamasil Stiftung

Die Arbeitsgruppe «Die Säulenhalle» fordert, den Raum unter der Hardbrücke vom Verkehr zu befreien und zum Stadtplatz für alle zu machen. Lesen und sehen Sie hier ihre Vorschläge.

Im Jahr 1972 weihte Zürich die Westtangente ein, eine Hochleistungsstrasse, die seit nunmehr 53 Jahren vom Milchbuck über den Bucheggplatz, über die Rosengartenstrasse, die Hardbrücke und weiter durch die Quartiere Aussersihl und Wiedikon quer durch die Stadt führt. Das Symbol dieser Stadtzerstörung ist die Hardbrücke, die sich von der Limmat bis zum Hardplatz zieht.

Freilich hält sich der Widerstand gegen die Westtangente bis heute hartnäckig. Architektinnen und Urbanisten schrieben dagegen an, der Verkehrs-Club der Schweiz (VCS) wurde, kaum war er gegründet, zum Hort der Gegnerinnen und Gegner. In der IG Westtangente Plus haben sich Menschen aus dem Quartier versammelt, Stadtindianerinnen und Urbanisten, um mit Demonstrationen und politischen Vorstössen gegen die Strasse anzukämpfen; in mehreren Urnengängen wurde versucht, das Monster zu bändigen – vergeblich.

Auch dem Autoverkehr ist das gleichgültig – in immer dichterer Folge fahren die Autos seit einem halben Jahrhundert über die Strasse. Und wenn die Demonstranten «Reisst die Hardbrücke ab!» rufen, so tut diese keinen Wank, freut sich sogar, dass sie bei einer Renovation ein nobleres Kleid erhalten hat und noch breiter geworden ist.

Also gilt es, Möglichkeitsräume zu vermessen: Wenn die Hardbrücke nicht abgerissen wird, wie lässt sie sich dann für die Stadtwerdung von Zürich West nutzen? Die IG Zentrum Hardbrücke (IGZH) hat die ‹Arbeitsgruppe Säulenhalle› siehe Seite 3 beauftragt: «Denkt über ein Stadtzentrum für Zürich West nach. Prüft, wie der Raum unter der Hardbrücke zum Zentrum und Herzstück von Zürich West gemacht werden kann!»

Die ‹Arbeitsgruppe Säulenhalle› spazierte die Strecke vom Bahnhof Hardbrücke zum Limmatufer auf und ab, fotografierte, zeichnete und recherchierte. Sie sah: 33 Betonsäulenpaare tragen das Verkehrsbauwerk. Sie bilden eine 800 Meter lange, majestätische Säulenhalle und spannen einen für Zürich ungewöhnlich grosszügigen Raum auf. Hier könnten Märkte und Quartierfeste, Läden und Cafés, ein Open-Air-Kino und Werkstätten, Sitzbänke und Sportflächen Platz finden – das neue Zentrum von Zürich West! Was es dazu braucht, fassen die in 13 Säulen festgehaltenen Forderungen für den Raum unter der Hardbrücke fest.

Säule Nr. 1: Weniger Transitverkehr, mehr Aufenthalt
Heute sind die 800 Meter zwischen Bahnhof Hardbrücke und Escher-Wyss-Platz eine Verkehrs- und Parkierungsachse. Neu soll es unter Brücke weniger Verkehr geben, dafür Aufenthalt und Begegnung, Gewerbe und Genuss.

Säule Nr. 2: Weg mit den Parkplätzen!
Alle 180 Parkplätze werden aufgehoben. Das ergibt etwa 2000 Quadratmeter neue Aufenthaltsfläche. Einige Taxistellplätze und Güterumschlagsplätze bleiben erhalten.

Säule Nr. 3: Verbannung der Autos unter der Brücke
Der Autoverkehr unter der Brücke wird unterbunden. Die anstossenden Wege Josef- und Schiffbaustrasse werden zu Sackgassen mit Wendehammer. Nur via Pfingstweidstrasse/Neue Hard fahren weiterhin Autos unter der Brücke durch.

Säule Nr. 4: Eine Tramspur daneben statt darunter
Das Versetzen des mittigen Tramtrassees auf den westlichen Freiraum neben der Brücke ist ein Befreiungsschlag. Sowohl die Trampiloten als auch die Fussgänger und Velofahrerinnen danken dafür, dass es unter der Brücke nicht mehr so gefährlich ist.

Säule Nr. 5: Raum für den Langsamverkehr
Der Raum unterhalb der Brücke gehört nun vollständig den Fussgängerinnen und den gemütlichen Velofahrern; eine allfällige Velo-Expressstrecke wird separat geführt. Die Vernetzung mit den angrenzenden Strassen und Quartieren wird verbessert.

Säule Nr. 6: Weiterbestehen des Mühlezugs – vorläufig
Der Weizentransport unter der Hardbrücke in Richtung Mühle an der Limmat wird vorläufig weiterhin per Bahnwaggon zelebriert, mit allen Vor- und Nachteilen. Es kann jedoch sein, dass der Wandel des Einzelwagenverkehrs der SBB den Mühlezug erübrigen wird. So wird zusätzlicher Platz frei.

Säule Nr. 7: Endlich ein Bahnhofplatz – und erst noch ein verkehrsfreier!
Endlich bekommt der von 50 000 Menschen pro Tag frequentierte Bahnhof Hardbrücke einen anständigen Bahnhofplatz. Er erstreckt sich bis zur Pfingstweidstrasse, ist gedeckt und verkehrsfrei. Der Güterumschlag und das Bringen und Holen von Bahnpassagieren (‹Kiss & Ride›) ist selbstverständlich weiterhin möglich. Der geschützte Platz eignet sich gut für Märkte und Quartierfeste.

Ein offener Raum zwischen Säulen und Sträuchern: der neue Bahnhofplatz beim Bahnhof Hardbrücke (Illustration: Lowis Gujer und Nando von Arb)

Säule Nr. 8: Eine Abfolge von Plätzen
Der Raum unterhalb und neben der Hardbrücke wird durch Plätze und querende Strassen rhythmisiert und mit dem Quartier verwoben. Nach dem Bahnhofplatz folgt der Shibuya-Platz als Kreuzung mit der Pfingstweidstrasse, dann der Vorplatz vor der ehemaligen Autowaschanlage, danach der mit Josef- und Schiffbaustrasse verschmolzene Steinfels-Schiffbau-Platz – das Herzstück des neuen städtischen Zentrums.

Säule Nr. 9: Belebte Erdgeschosse
Die an die Brücke angrenzenden Liegenschaften, ob private oder öffentliche, werden mit dem Raum unter der Brücke verknüpft. Das gilt insbesondere für die Erdgeschosse, die Publikumsnutzungen aller Art aufweisen sollen. Das ZKB-Zentrum Neue Hard öffnet sein Erdgeschoss mit den Innenhöfen für das Publikum. Das MAN-Industrieareal wendet sich, soweit praktikabel, der Säulenhalle zu.

Säule Nr. 10: Das Ende der Autowaschanlage zugunsten von Zentrumsnutzungen und mehr Wohnungen
Im Jahr 2027 wird das Areal der Autowaschanlage frei für eine neue Nutzung. Die alten Werkstatthallen verbinden sich mit einem Hochhaus zum neuen Clara-Ragaz-Haus. Im Erdgeschoss sind Quartierversorger angesiedelt, darüber gibt es Gewerbe- und Kulturflächen und 100 neue Wohnungen im stark unterversorgten Quartier.

Die Autowäschi (rechts) könnte umgenutzt und mit einem Wohnhochhaus ergänzt werden: Platz für 100 gemeinnützige Wohnungen! (Illustration: Lowis Gujer und Nando von Arb)

Säule Nr. 11: Ein Freiluftzentrum
Die rund 20 Meter breite Hardbrücke auf etwa 8 Metern Höhe bildet einen Wetterschirm mit fast 17 000 Quadratmetern immertrockenem Boden. Die 10 bis 20 Meter breiten beregneten Räume links und rechts der Brücke ergänzen das Freiluftangebot.

Säule Nr. 12: Viele Innenräume
Auch geschlossene Räume finden in der Säulenhalle Platz. Die lichte Raumhöhe von rund 8 Metern ermöglicht bis zu zweigeschossige Boxen unter der Brücke. Dank der wettergeschützten Lage lassen sie sich kostengünstig und einfach rückbaubar konstruieren. Das Erdgeschoss bietet sich für Läden, Gastronomie oder Kultur an, oben können Werkstätten, Ateliers und Büros untergebracht werden.

Säule Nr. 13: Konzentriertes, starkes Grün
Unter der Brücke wächst Grünes nur unter erschwerten Bedingungen. Ausserdem sind die Freiflächen fast vollständig mit Tiefbauinfrastrukturen unterlegt. Dies soll aber nicht daran hindern, auf geeignete Weise möglichst viel und möglichst intensiv zu begrünen und Beläge aufzubrechen. Auch der Brückenbau lässt sich bis zu einem gewissen Grad als Grüntragwerk verwenden.

Postskriptum: Zwei grosse Brocken konnte die Arbeitsgruppe nicht bearbeiten. Auf sie wartet der nächste Streich. Mit dem Escher-Wyss-Platz – seit seiner Überdeckung ein städtebaulicher Problemfall – hat sich die Arbeitsgruppe nur am Rande beschäftigt, schlägt aber vor, einen breiten Zugang zur Limmat zu schaffen. Auch beim Bahnhof Hardbrücke beschränkt sich die Arbeitsgruppe auf generelle Aussagen. Notwendig wäre eine gesonderte Studie, denn das Verkehrsaufkommen wird hier in den nächsten Jahren nochmals rasant wachsen. Klar ist: Der Bahnhof Hardbrücke ist ein eminent wichtiger Ort für das Kerngebiet von Zürich West – und seine Bedeutung wird weiter zunehmen.

Ein unwirtliches Stück Stadt zum Leben erwecken: Der Raum unter der Hardbrücke, wie er sein könnte (Illustration: Lowis Gujer und Nando von Arb)

Kommentare

Andreas Konrad 19.06.2025 02:38
Ein Befreiungsschlag! Die stolze Hardbrücke wird nicht mehr von provinziellen Stadtplanern als «Sündenfall» beschumpfen, sondern als majestätische Säulenhalle wiederentdeckt! Sie verströmt noch ein wenig ungewaschen die Erotik der High Line in New York aus «French Connection» und präsentiert sich als längstes Dach der Schweiz geradezu auf dem Silbertablett. Doch es gilt zu beachten: So vieles ist schief gelaufen in «Züri West», das oft den Charme einer DDR-Fehlplanung aufweist. Lasst die Container draussen, sie verunklaren die Schönheit und Grandezza der repetitiven Säulengestaltung. Diese werden weiss getüncht, die Gestaltung des Stadtgrümpels soll sich unterordnend, elegant und dezent geben. Und damit nicht tötete, bleibt, zumindest in geringeren Massen, der Autoverkehr. Dann wird's was mit der Hardhalle!
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