Der Teilplan Hitzeminderung zeigt Stadtstrukturen und ihre Wärmebelastung.

Von Kaltlufttaschen und Wurzelräumen

Hitzetage und Tropennächte nehmen zu. Damit das Leben in Zürich erträglich bleibt, hat die Stadt das neue Planungsinstrument «Fachplanung Hitzeminderung» ausgearbeitet.

214 Seiten umfasst die Fachplanung Hitzeminderung (die davor einmal Masterplan Stadtklima hiess), hinzu kommt die städtische Agenda zur Umsetzung dieser Planung mit nochmals 28 Seiten. Ob das Mammutwerk von vielen durchgelesen wird, ist fraglich – aber es lohnt sich, denn es steht alles Wichtige darin zum Zürcher Stadtklima.

Zürich ist gesegnet mit seinem Hügeln ringsum, besonders mit dem Üetliberg-Nordhang und seinen Talabwinden, die kalte Luft in die Stadt hineinströmen lassen. Im Stadtteil Friesenberg spricht man deshalb von Kaltlufttaschen, die eine grosse Hitze gar nicht erst aufkommen lassen. Das Problem ist, dass die kalte Luft nicht alle Stadtteile erreicht - in der Innenstadt und in Zürich West bleibt es heiss.

Die Fachplanung Hitzeminderung, nennen wir sie kurz FPH, zeigt nun erstens auf, wie Zürich von der Klimaerwärmung betroffen ist. Zweitens, welche Massnahmen die Erwärmung vermindern können und drittens, welche Massnahmen helfen, deren Anstieg künftig zu dämpfen.

Die FPH teilt die Stadt in drei Massnahmengebiete. Stadtteile in Gebiet 1 – vorab die Innenstadt und Zürich West – brauchen tagsüber und nachts Massnahmen gegen die Hitze. In Gebiet 2 reicht es, die Temperatur tagsüber zu senken, und in Gebiet 3 gilt es, die bestehende, nicht so schlechte Situation zu erhalten.

Diese Massnahmen wiederum sind eingeteilt in drei grosse Ziele und Pläne: Die Teilpläne Hitzeminderung, Entlastung und Kaltluft. Etwas ausformuliert heisst das, man will erstens die Hitze wo immer möglich senken, man will zweitens gefährdete Areale – etwa Schulen oder Altersheime – entlasten und man will drittens dafür sorgen, dass die Kaltluftsysteme erhalten bleiben. Zu jedem Plan gibt es Massnahmen, die bereits in Wirkungsanalysen getestet und bewertet wurden.

Schliesslich mündet die FPH in eine Toolbox mit acht Handlungsfeldern und 13 Handlungsansätzen. Sie betreffen nicht nur Strassenraum und Plätze, sondern auch Gebäude und Siedlungen, sie reichen von Bäume pflanzen über Kaltluftströme beachten bis zu städtebaulichen und architektonischen Massnahmen wie Gebäudesetzungen und Fassadenoberflächen.

An der heutigen Medienkonferenz erwähnte Stadtrat Richi Wolff zum Beispiel den Bullingerplatz. Dort gibt es zwar in der Mitte einen Brunnen, aber kaum Grünes. Mit einer Kombination aus Bepflanzung, Entsiegelung und mehr hellen Flächen könnte man die Temperatur auf dem Platz um mehrere Grade senken. Oder die Blockrandquartiere etwa im Kreis 4: Die dichte Bauweise führt schnell zu Hitze. Mit mehr Bäumen im Innenhof und auf der Strassenseite, mit entsiegelten Böden, mit Wasserspielen und Brunnen, mit Markisen und mit helleren Fassaden lässt sich aber etwas machen gegen die Wärmeinsel. Allerdings - ein grosser Baum braucht genügend Wurzelraum, der im städtischen Untergrund, wo es vor Leitungen und Tiefgaragen wimmelt, nicht immer zu haben ist. Darum gilt es, aus der Toolbox für jeden Standort die geeignete und vor allem auch machbare Kombination von Massnahmen zusammenzustellen.

Das Riesenwerk mit seinen vielen Gliedern zu überblicken, ist ganz schön schwierig. Umso wichtiger, dass die Stadt nun das Nötige gezielt kommuniziert - auch an Private. Denn die FPH hat einen Haken: Sie ist nicht eigentümerverbindlich. Einbezogen werden und ihre Beiträge leisten sollen Private unbedingt - die Stadt kann nicht allein mit dem öffentlichen Raum und ihren Gebäuden für ein besseres Klima sorgen. Private sollen deshalb gut informiert und beraten werden, und die Stadt will darauf hinarbeiten, dass klimatische Massnahmen via das kantonale Planungs- und Baugesetz gesetzlich vorgeschrieben werden.

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Kommentare

Andreas Diethelm 13.05.2020 23:06
Massnahmen, die der schlichte gesunde Menschenverstand nach dem Hitzesommer 2003 gebot, stehen 17 Jahre später nun also in einem Massnahmenplan. Es wird aber betont, das seien nur „Denkmodelle“, man müsse schauen, was davon umsetzbar sei. Zwar schafft die Stadt nun in Zürich-West eine wissenschaftlich begleitete Teststrecke mit einem helleren Strassenbelag, der mehr Sonneneinstrahlung reflektiert. Um festzustellen, was von der Wirkung bleibt, wenn auf dem Strassenabschnitt eine stehende Kolonne von schwarzen SUV steht - und schwarz sind sie, das sieht für die einen edler, für andere gefährlicher aus - braucht es allerdings keine wissenschaftliche Ermittlung, jeder Velofahrer der an diesen Öfen vorbeifährt, kann darüber Auskunft geben: es herrscht eben Backofentemperatur. Dass sich der Massnahmenplan nicht mit dem Autoverkehr befasst, lässt einen an der Ernsthaftigkeit des Vorhabens zweifeln. Der Tiefbauvorsteher beeilte sich zu versichern, dass "der schöne Sechseläutenplatz" (dessen zur Hälfte bereits abgestorbenen Bäume gerade erst für 2 Millionen durch Bäume der selben Art ausgetauscht wurden) uns selbstverständlich als Parkett erhalten bleibe (also ohne Pappelreihe entlang dem Utoquai, der einzigen Massnahme, die den Platz an Sommernachmittagen erträglich machen würde) und dass es auf dem Münsterhof mit Bäumen halt schwierig sei, wegen der vielen Interessen, dass aber vielleicht da und dort ein Veloabstellplatz begrünt werde.
Susanne Gruber 13.05.2020 09:46
In der Stadt Zürich sind wir nicht nur gesegnet mit Hügeln ringsum, sondern auch mit See und Flüssen als kühlende Lebensadern. Gerade in Zürich West, wo das Land in den letzten 20 Jahren eine enorme Bautätigkeit erfahren hat, könnten auch Wasserläufe die ersehnte Kühlung bringen. Hierfür müsste wohl die Kompetenz für Wassermanagement nach Zürich geholt werden. Wunderbare Beispiele dafür Ramboll Studio Dreiseitl: www.dreiseitl.com
Wolfgang Meyer-Hayoz 12.05.2020 16:09
Ein grosses Kompliment und Dank an die Stadt Zürich sowie die an dieser wirklich fundierten und inhaltlich überzeugenden Arbeit beteiligten Dienstabteilungen der Stadt. Es ist zu hoffen, dass auch weitere Städte diesen Erkenntnissen im Rahmen der Stadtplanung sowie bei Baugesuchen Rechnung tragen. Herzlichen Dank hierbei auch an das Team von Hochparterre.
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