Der forcierte Ausbau der Velowege ist falsch, mehr Achtung für Fussgänger ist besser. Fotos: Peter Anderegg

Velo hier, Velo da, Velo dort – eine falsche Politik

Das Velo als Allheilmittel? Nein, der forcierte Ausbau der Veloinfrastrukturen ist falsch. Zu Fuss gehen und öffentlicher Verkehr sind viel effizienter in der Fläche und in der Kapazität. Ein Gastkommentar.

Die autogerechte Stadt gab und gibt es nie. Das wissen und glauben fast alle. Fast faktenlos wird als Alternative die Stadt des Fahrrades angepriesen. Bald niemand mehr spricht vom Fussgang und vom öffentlichen Verkehr. Dabei dominieren diese beiden Formen des Fortkommens den städtischen Personentransport. Im Modalsplit der Stadt Zürich belegen Fussgänger und öV rund 70 Prozent. Und das sehr effizient: Tram und Bus tragen mit einer hohen Transportkapazität und flächeneffizient dazu bei, die Fussgängerinnen und Fussgänger sind bescheiden in ihrem Platzbedarf. In der teils ideologischen geprägten Verkehrsdiskussion gehen die Flächeneffizienz und die Transportkapazität sowie die ganzjährige, wetterunabhängige Leistung dieser zwei Transportmittel unter – ja, auch die Füsse sind ein Transportmittel.

Sind wir eben im Begriff, weitere Fehlinvestitionen in Verkehrs-Infrastrukturen zu tun – nach Fehlinvestitionen in Strassen-Infrastrukturen, teils in öV-Infrastrukturen nun Geld falsch ausgeben für Velo-Infrastrukturen? Sollten wir stattdessen nicht darüber nachdenken, den städtischen Verkehrsraum neu aufzuteilen, weil dieser Raum beschränkt ist? Und zwar nach dem Grundsatz der Flächeneffizienz. Und da kommen Velos schlecht weg, sie reihen sich gleich hinter dem Auto ein. Auch wenn sie leiser und umweltfreundlicher unterwegs sind, ist ihr Verkehrsleistung mager. Unbestritten soll das Velo seinen Platz haben – auch in der Stadt – und sicher unterwegs sein. Velos tragen jedoch wenig bei zur Lösung der Verkehrsprobleme. Gerade Städte, die für ihren hohen Veloanteil gelobt werden, weisen auch einen hohen Autoanteil aus und einen weniger attraktiven öV. Ich bin mir bewusst, dass der Modalsplit vorsichtig betrachtet werden muss; aber wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass Velos volatil unterwegs sind und vor allem im Freizeitverkehr einen Boom erleben. Wie viele Velofahrende sehe ich bei Regen, Kälte und Schnee? Und nur in der Werbung scheint immer eine warme Sonne. Wir laufen Gefahr einfach das Verkehrsangebot zu vermehren und holen Fussgänger aufs Velo, ohne den Autoverkehr zu reduzieren. Wir sollten daher in Statistiken Fussgänger und Velos konsequent getrennt aufführen: Sie haben keine Gemeinsamkeiten.

Bevor wir neue Velo-Infrastrukturen planen, müssen wir über eine Neuaufteilung des Verkehrsraums nachdenken und über zielführende Transportmittel. Darüber hinaus sollten wir den Fussgang pflegen, die würdevollste Fortbewegung überhaupt. Und schöne, attraktive Fusswege gestalten. Lernen wir die Menschen wieder, ihre Füsse zu benutzen – weder auf dem Velo- noch auf dem Gaspedal – sondern auf dem Boden!

 

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Kommentare

Lukas Erni 25.02.2022 15:38
Organisch gewachsene Systeme leben von Diversität! Glaubensansätze auf wenige Faktoren wie Flächennutzung runter zu münzen... na ja, Diversität und Toleranz nicht sind nicht einfach in abstrakte Denkweise einzugliedern (Platzproblem?) aber durchaus wichtig für Bewohner einer modernen Stadt.
BATMAN 23.02.2022 13:24
Noch nie einen grösseren Quatsch gelesen als von Herrn Anderegg und Herrn Konrad! Die grosse Gefahr, sowie der grösste Störfaktor im öffentlichen Raum ist der ÖV! Wer im Stadtinnern wohnt, an einer stark befahrenen Strasse, welche eben auch von Rambo-Trams befahren wird weiss, dass der grösste Lärmverursacher und das absolut tödlichste Pferd im Stall, das Tram ist! Kaum fährt es ausserhalb des Kreis 1 und 2 beschleunigt es innerhalb der Wohnquartiere auf Warp-Speed! Dies übertrumpft Dezibeltechnisch um Welten den Automobillärm! Über den Bremsweg wollen wir gar nicht sprechen.. Velos haben gegen Trams keine Chance! Absolut tödlich! Auch diese elenden Trauscheinen! Pfui! Zudem wäre es mal interessant, eine wirklich akkurate Berechnung anzustellen, wie ökologisch der ÖV tatsächlich ist.. abgesehen von den Stosszeiten, sieht man diverse Tramlinien bis tief in die Nacht nahezu leer, aber stoisch hin und her gondeln. Ob es dann wirklich noch so eine fabelhafte Bilanz abwirft, wenn 2 Personen in einem hunderte Tonnen Flexi Kobra Ungetüm mit Strom (woher?) lärmintensiv rumgegondelt werden..? Naja! Das Stadtzentrum autofrei machen! Alle Strassen auf Stadtgebiet Tempo 30! ÖV entgegen dem Trend runterfahren! Es braucht keinen Trambetrieb bis 00.45! Es muss auch nicht ausserhalb der Stosszeiten alle 7min. gefahren werden. Und Geschwindigkeitsbegrenzung sollen für Trams auf max.30km/h deklariert werden! Jede 2.Tramhaltestelle kann man auflösen. Alle 200m eine Station ist lächerlich und absolut ineffizient! Alles andere ist altbackene, Rot-Grün-liberale Pseudo-Romantik!
Peter Hartmann 23.02.2022 10:55
Herr Anderegg. Von welchem Verkehrsträger sind die vielen zusätzlichen eVelofahrenden der letzten Zeit wohl umgestiegen? Die allermeisten vom Privatauto. Auch wenn dies letztlich nur einen "Tropfen auf den heissen Stein" ausmacht, den Velofahrenden ist mehr Platz einzuräumen, und zwar auf Kosten der Verkehrsflächen für das Auto. Basel hebt über 700 öffentliche Parkplätze ohne Kompensation auf, Bern will die Hälfte aller öffentlichen Parkplätze aufheben, Luzern und Zürich haben ähnliches vor. Und dies alles, um insbesondere den Velofahrenden mehr Platz einzuräumen und das Velofahren sicherer und attraktiver zu machen. Mit dem positiven Nebeneffekt, dass weniger Parkplätze in der Stadt weniger Autoverkehr bedeuten. Das ist der richtige Lösungsansatz.
CG 22.02.2022 23:55
Da hat wohl jemand was gegen die Velofahrer? > siehe auch Artikel: https://www.hochparterre.ch/nachrichten/planung-staedtebau/blog/post/detail/fuer-den-stadtverkehr-ist-das-velo-irrelvant/1592994778/ Ein kleines Déjà-vu oder schon ein Kreuzzug der Hochparterre gegen den Drahtesel? Es war ja nicht zu erwarten, dass der Interessensvertreter des öffentlichen Verkehrs seit Juni seine Meinung ändert - was also soll der erneute Artikel? Habt ihr keine anderen Autoren, die auch mal neue, attraktive Artikel über innovative Themen schreiben? Wäre sicher lesenswerter....
Andreas Konrad 22.02.2022 22:07
Wie aufgeladen die Diskussion rund ums Velo ist, lässt sich hier trefflichst begucken: Der Zürcher fährt nicht Velo, er erhöht sich als guter Protestant in religiösen Eifer als wahrer Gläubiger. Trotzig und mit verbissener Miene kämpft er sich durch Regen und Dreck, er sieht Fussgänger und andere als Häretiker, als zu Bekehrende, sein Wille, sein Weg zählt, denn er ist der einzig richtig gangbare. Herr Anderegg hat natürlich völlig recht, doch der überzeugte Velofahrer lässt sich nicht von Fakten das Gehirn vernebeln. Lieber trampelt er weiter unwirsch und demonstrativ durch die Strassen, um seinen Glauben kundzutun. Djihadisten würde man sie weiter östlich wohl nennen. Doch wir Ungläubigen wissen: Fussgängern und sich bei Bedarf im Tram vom Unwetter geschützt ausruhen, sich schnell von A nach B chauffieren zu lassen, auf den schönen neuen Holzstühlen des Flexity geruhsam zum nächsten Termin fahren, ohne verschwitzt und riechend anzukommen macht das Leben einfach einfacher.
Julia Röder 22.02.2022 19:31
Danke! Mir so aus dem Herzen gesprochen. Als leidenschaftliche Velofahrerin (von April-Oktober) und ÖV- Benutzerin habe ich den ganzen Aufruhr um die Veloinfrastruktur nie so recht verstanden. Ich habe schon an vielerlei Orten gewohnt und bin auch mit Velo immer gut von A nach B gekommen. Ich bin gespannt wie gut oder schlecht die neuen Velostrassen von Fussgängern und insbesondere Primarschulkindern überquert werden können. Schon heute sind Velofahrer:innen eine keine zu verachtende Gefahr auf dem Schulweg unseres Sohnes. Zudem Parkplätze aufzuheben, die Probleme der Parkierung auf Privatgrundstücke zu verschieben (Fazit: Einstellhalle mit kaum Überdeckung) kann nur dann eine gute Lösung sein, wenn die gewonnene Fläche der Begrünung durch schattenspendende Bäume gewidmet wird - und nicht einer Veloinfrastruktur (Stichwort Klimaerwärmung). Wichtiger wäre sowieso die Anzahl der Pflichtparkplätze zu reduzieren, die mit der gelebten Realität in der Stadt Zürich nicht zu korrelieren scheinen. Zahlen dazu wären spannend!
Peter Göldi 22.02.2022 12:55
Ich mag gegen die Scheinargumente von Herrn Anderegg gar nicht einreden, sondern empfehle ihm einfach nur einen Abstecher nach Kopenhagen, um die Umsetzung seiner 'Probleme' und die unmittelbaren Auswirkungen auf die Aufenthaltsqualität in der Stadt in Natura zu erleben.
Egon 21.02.2022 20:09
Wer sehen will wie Tramgleise vormalig öffentlichen und vielfältig nutzbaren Raum zu monofunktionaler Asphaltwüste degradieren, findet um den Escher-Wyss-Platz unter der Hardbrücke einen schönen Lehrblätz.
Toni Bernasconi 21.02.2022 14:09
Das ist doch eine lächerliche Grafik, Herr Anderegg, sogar beim Zug wird nur der Flächenbedarf des Fahrzeuges berücksichtigt?! Der Zug fährt auf Schienen welche massig Flächen fressen und wenn Bus und Tram effizient unterwegs sein sollen brauchen sie auch Eigentrassen welche Platz benötigen und zum Grossteil der Zeit leer stehen. Unten in den Kommentaren steht dann auch, dass es um eine Kapazitätsbetrachtung geht. Und 40m2 Flächennutzung eines Velos ist ja wohl auch Blödsinn. Schauen Sie sich mal einen Peleton an der Tour de Suisse an oder einen Veloweg in Paris oder Amsterdam, da braucht niemand 20m Sicherheitsabstand.
Peter Anderegg 21.02.2022 11:22
z,B, hier: https://www.zukunft-mobilitaet.net/78246/analyse/flaechenbedarf-pkw-fahrrad-bus-strassenbahn-stadtbahn-fussgaenger-metro-bremsverzoegerung-vergleich/
Luke 20.02.2022 21:39
OK, dann gib uns ein paar fakten. Wie viel geringer ist beispielsweise die Flächennutzung von Velowegen im Vergleich zu Gehwegen und öffentlichen Verkehrsmitteln im Statt Zürich ? Wie viel schneller sind Velos im Durchschnitt gegenüber beiden Alternativen? Ein Hinweis, Velos sind in beiden überlegen.
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