Velo hier, Velo da, Velo dort – eine falsche Politik
Das Velo als Allheilmittel? Nein, der forcierte Ausbau der Veloinfrastrukturen ist falsch. Zu Fuss gehen und öffentlicher Verkehr sind viel effizienter in der Fläche und in der Kapazität. Ein Gastkommentar.
Die autogerechte Stadt gab und gibt es nie. Das wissen und glauben fast alle. Fast faktenlos wird als Alternative die Stadt des Fahrrades angepriesen. Bald niemand mehr spricht vom Fussgang und vom öffentlichen Verkehr. Dabei dominieren diese beiden Formen des Fortkommens den städtischen Personentransport. Im Modalsplit der Stadt Zürich belegen Fussgänger und öV rund 70 Prozent. Und das sehr effizient: Tram und Bus tragen mit einer hohen Transportkapazität und flächeneffizient dazu bei, die Fussgängerinnen und Fussgänger sind bescheiden in ihrem Platzbedarf. In der teils ideologischen geprägten Verkehrsdiskussion gehen die Flächeneffizienz und die Transportkapazität sowie die ganzjährige, wetterunabhängige Leistung dieser zwei Transportmittel unter – ja, auch die Füsse sind ein Transportmittel.
Sind wir eben im Begriff, weitere Fehlinvestitionen in Verkehrs-Infrastrukturen zu tun – nach Fehlinvestitionen in Strassen-Infrastrukturen, teils in öV-Infrastrukturen nun Geld falsch ausgeben für Velo-Infrastrukturen? Sollten wir stattdessen nicht darüber nachdenken, den städtischen Verkehrsraum neu aufzuteilen, weil dieser Raum beschränkt ist? Und zwar nach dem Grundsatz der Flächeneffizienz. Und da kommen Velos schlecht weg, sie reihen sich gleich hinter dem Auto ein. Auch wenn sie leiser und umweltfreundlicher unterwegs sind, ist ihr Verkehrsleistung mager. Unbestritten soll das Velo seinen Platz haben – auch in der Stadt – und sicher unterwegs sein. Velos tragen jedoch wenig bei zur Lösung der Verkehrsprobleme. Gerade Städte, die für ihren hohen Veloanteil gelobt werden, weisen auch einen hohen Autoanteil aus und einen weniger attraktiven öV. Ich bin mir bewusst, dass der Modalsplit vorsichtig betrachtet werden muss; aber wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass Velos volatil unterwegs sind und vor allem im Freizeitverkehr einen Boom erleben. Wie viele Velofahrende sehe ich bei Regen, Kälte und Schnee? Und nur in der Werbung scheint immer eine warme Sonne. Wir laufen Gefahr einfach das Verkehrsangebot zu vermehren und holen Fussgänger aufs Velo, ohne den Autoverkehr zu reduzieren. Wir sollten daher in Statistiken Fussgänger und Velos konsequent getrennt aufführen: Sie haben keine Gemeinsamkeiten.
Bevor wir neue Velo-Infrastrukturen planen, müssen wir über eine Neuaufteilung des Verkehrsraums nachdenken und über zielführende Transportmittel. Darüber hinaus sollten wir den Fussgang pflegen, die würdevollste Fortbewegung überhaupt. Und schöne, attraktive Fusswege gestalten. Lernen wir die Menschen wieder, ihre Füsse zu benutzen – weder auf dem Velo- noch auf dem Gaspedal – sondern auf dem Boden!
Peter Anderegg war SP-Kantonsrat in Zürich; er ist Präsident der Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr. Er ist überzeugter Fussgänger, oft Zug-, Bus- und Tramfahrer und ab und zu sitzt er auf dem Velo.