Die grosse Schlussrunde, moderiert von Hans-Kaspar Schiesser (rechts).

Tagung: ÖV wie weiter?

Die Metron-Tagung «Der ÖV als Rückgrat der Siedlungsentwicklung» widmete sich einem brennenden Thema der Zeit. Zehn Thesen standen am Anfang, und ein Fazit ist: Raumplaner und Verkehrsplaner müssen eine gemeinsame Sprache finden.

Rund 150 Personen strömten am Dienstag, 24. Oktober in den Campussaal Brugg-Windisch. Ihr Ziel: die Metron-Tagung «Der ÖV als Rückgrat der Siedlungsentwicklung». Der grösste Teil des Publikums waren Vertreterinnen und Vertreter von Behörden von Bund, Kantonen, Städten und Gemeinden, von Raumplanungs-, Verkehrsplanungs- und Verkehrsunternehmungen. Aus den gleichen Disziplinen stammten auch die Referenten. Man war «unter Pfarrerstöchtern», also unter seinesgleichen – oder eben doch nicht?
Denn eine treibende Motivation, diese Tagung zu veranstalten, war für Marc Schneiter, Verkehrsplaner der Metron, die Feststellung, dass Raumplaner und Verkehrsplaner oft nicht die gleiche Sprache sprechen. Das kann fatal sein. Denn Trams, Bahnen und Busse sind voll, die Verdichtung wird die Verkehrssysteme noch weiter belasten, doch Platz für einen Ausbau besteht kaum. Es sei deshalb an der Zeit, den öffentlichen Verkehr neu zu denken.
Im Hinblick auf die Tagung stellte Metron zehn Thesen auf:

1. Der ÖV muss das Rückgrat der Siedlungsentwicklung werden.
2. Raum- und Verkehrsplaner verstehen sich erst dann, wenn sie die gleiche Sprache sprechen.
3. Es braucht nicht überall alles.
4. Die Weichen der Raumentwicklung werden in den Regionen gestellt.
5. Die Gestaltung des Quartiers steuert das Mobilitätsverhalten.
6. Die Agglomerationen brauchen zusätzliche Fernverkehrshalte.
7. Nur über regionale Konferenzen gelingt gemeindeübergreifende Planung – der Kanton Bern zeigt, wie es funtkioniert.
8. Die kantonale Standortförderung der Zukunft konzentriert sich auf die mittleren und kleinen Zentren.
9. Die Fernverkehrskonzession definiert die Erreichbarkeit.
10. Nur ein langfristig effiziente Gesamtverkehrssystem ist finanzierbar.

Diese Thesen bildeten das Geländer für die Vorträge vom Vormittag und die «Workshops» genannten Diskussionen in kleineren Gruppen am Nachmittag. Die breite Auslegeordnung war interessant, und fast hätte man sich wohlig zurücklehnen können angesichts des hohen Standards des öffentlichen Verkehrs wie wir ihn in der Schweiz kennen. Natürlich gibt es Probleme, aber die können wir ebenso lösen, wie wir die Herausforderungen der Zukunft in Angriff nehmen und meistern werden. So schien es jedenfalls.
Als jemand, der nicht Teil dieses Planerkuchens ist, sondern die Entwicklung als interessierter Laie verfolgt, war man aber erstaunt, wie die Fachleute in ihren Disziplinen gefangen sind. Insbesondere die Verkehrsplaner scheinen gewissermassen ans Schienennetz gekettet, sodass die Lösung oft heisst «mehr vom Gleichen am gleichen Ort». Nicht, dass das alles schlecht ist. Aber im Korsett von Problemstellung und möglichst gradliniger Problemlösung – zu der immer der möglichst direkte Weg zum Bundesgeldtopf gehört – vermisst man den Wettbewerb unterschiedlicher Ideen.

0,025 Prozent investieren.

Visionen, man kann auch sagen Fantasien, wie der neu gedachte Kanton Aargau der Gruppe Bibergeil, die Überlegungen der Gruppe Krokodil zur Glattstadt versuchen genau das zu tun: Zum Denken anregen. Das gelingt ihnen durchaus – aber eben nur der Disziplin der Macher, alles Architekten und Landschaftsarchitekten.
Klar, wir müssen die Welt nicht neu erfinden. Es ist sinnvoll, auf dem Bestehenden aufzubauen und dieses weiter zu entwickeln. Aber ein etwas breiterer Ideenfächer könnte nicht nur neue Lösungen generieren, sondern vor allem die Diskussion anregen und disziplinenübergreifend machen.
Bis zu 12 Milliarden Franken soll die Bahn in den nächsten fünfzehn Jahren erhalten. Angesichts dieser grossen Summe fordert Paul Schneeberger, NZZ-Redaktor und Verkehrs- und Raumordnungsspezialist denn auch, dass man inne hält und Alternativen Raum gibt. Schneeberger rechnet, dass solche Testplanungen rund 3 Millionen Franken kosten würden. Das ist viel Geld, doch im Vergleich zu den 12 Milliarden ein Klacks, nämlich gerade mal 0,025 Prozent.

Metron-Themenheft

Als Tagungsband hat Metron die 33. Ausgabe ihrer Themenheft-Reihe publiziert. Darin sind unter anderem die Abstracts der Referate abgedruckt sowie die zehn Thesen erläutert.

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