Am öffentlichen Abend der Stiftung Academia Engelberg diskutierten Thomas Kessler, Esther Girsberger, Paul Federer, Josef Estermann, Colette Peter und Remo Galli. Fotos: PD

Mehr Macht den Raumplanern!

«Zukunftsstädte» lautete der Titel der diesjährigen Tagung der Academia Engelberg. Am öffentlichen Podium stellte Vittorio Magnago Lampugnani – anders als die Wissenschaftler vor ihm – eine klare Forderung auf: mehr Kompetenz für das Bundesamt für Raumentwicklung.

«Zukunftsstädte» lautete der Titel der diesjährigen Tagung der Academia Engelberg. Auf 1000 Meter über Meer referierten und diskutierten Experten aus aller Welt über Lösungen für die Metropolen von morgen. Der Horizont war breit, die Themen offen: Äthiopierinnen erzählten über die Veränderung ihrer Hauptstadt Addis Abeba, ein Harvard Professor erklärte die Auswirkungen des Mobiltelefons auf den Städtebau, eine Geografin berichtete wie Glasgow sich an kürzlich gesprengte Wohnwolkenkratzern aus den 60er-Jahren erinnert. Manche Referenten schwebten weit oben in der Theorie, wie etwas ETH-Professor Ludger Hovestadt, der eine rasante Geschichtslektion zur «Quantum City» hielt, wie er die Stadt des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Andere, etwa die Urban Farmers, blieben ganz auf dem Boden beziehungsweise auf dem Dach, wo sie Fische und Pflanzen züchten.

Allen gemein war die Forderung: Die Stadt der Zukunft muss nachhaltig sein. Dass dies ein ziemlich kleiner gemeinsamer Nenner ist, bestätigte Vittorio Magnago Lampugnani, der das öffentliche Podium am Mittwoch mit einem Referat einführt. «Die Nachhaltigkeit ist eine uralte Frage», sagte er. «Sie war schon immer die Leitlinie jedes guten Städtebauprojektes.» Auch sonst brachte der Architekt, anders als viele Wissenschaftler vor ihm, seine Anliegen unverfroren auf den Punkt. Die Grenze zwischen Landschaft und urbanem Raum müsse scharf gezogen und die Mobilität gezähmt werden: «Die Pendler kommen nur zu einem Bruchteil für ihre Kosten auf», so der ETH-Professor. Um die Zersiedelung einzudämmen, verlangte er mehr Kompetenz für das Bundesamt für Raumentwicklung. «Wir brauchen ein Projekt Schweiz», forderte er.

Mit seinen Voten lieferte Lampugnani einen Steilpass für die anschliessende Diskussion. Diese verlief aber relativ einseitig. Es scheint, als wolle sich kein Politiker am Siedlungsbrei die Finger verbrennen. Der ehemalige Zürcher Stadtpräsident, Josef Estermann, stimme seinem Vorredner zu. Für ihn ist klar: «Die Gemeinden betreiben Kirchturmpolitik, um Steuersubstrat zu generieren.» Auch Thomas Kessler von der Stadtentwicklung Basel will härtere Leitplanken. Er verglich die Raumplanung mit dem Waldschutz und forderte: «Kein Quadratmeter Grünraum, der nicht erschlossen ist, wird überbaut.» Zurückhaltend gab sich einzig FDP-Regierungsrat Paul Federer. Die ländliche Schweiz sei noch nicht bereit für die Verdichtung. «Hier ist viel Überzeugungsarbeit nötig», so der Politiker.

Auch Kessler will bei der Bevölkerung ansetzen und ihr die «absurden Maximalansprüche» abgewöhnen. «Wir müssen wieder lernen zu zweit in einer Wohnung zu leben, dann haben wir Platz.» Dass die Dichte nicht nur Boden spart, sondern auch Qualität schafft, darauf verwies Estermann. Er pries das historische Zentrum von Engelberg, wo die Häuser – im Unterschied zu den Hängen rundherum – dicht an dicht stehen. Damit kam die Debatte auf das Einführungsreferat zurück. Es habe sich ja mittlerweile herumgesprochen, meinte Lampugnani zu Beginn verschmitzt, dass die wirtschaftliche Konkurrenzfähigkeit nicht nur von der Effizienz abhänge. Wichtig sei auch «die Lebensqualität, die Kultur und die Schönheit», so der Architekt.

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Kommentare

Egon 14.09.2012 23:51
Verdichtung: der Freipass für Spekulanten. Was bedeutet Verdichtung anderes als mehr und höher klotzen? Fragt mal einen der grossen Totalbauunternehmer in der Schweiz: Finden alle super. Weshalb wohl.
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