«Lieber mehr Aufenthaltsqualität am Tag»
Eine Installation von Pipilotti Rist soll dem Heimplatz in Zürich ein «attraktives nächtliches Gesicht» geben. Er hätte lieber ein attraktives Gesicht am Tag, ärgert sich Planer und Architekt Hugo Wandeler.
Seit kurzem steht auf dem Heimplatz in Zürich ein gut 17 Meter hoher, leicht krummer, gelbviolett lackierter Stängel mit oben einer Art gezacktem Fruchtknoten und warzenartigen Ausbuchtungen. Es handelt sich um das Kernstück einer Installation von Pipilotti Rist, das dazu dient, nachts farbige Punkte über die Fassaden des Kunsthauses, des Erweiterungsbaus und des Schauspielhauses wandern zu lassen. Damit soll «der Zusammenhalt dieser drei Institutionen und deren Präsenz am Platz gestärkt werden», wie Stadtrat André Odermatt geschrieben hat.
Vom Techniker, der zurzeit damit beschäftigt ist, die Anlage zu programmieren, war zu erfahren, dass die Installation nur nachts und nur in den Wintermonaten in Betrieb sein werde (am Tag wären die Punkte gar nicht zu sehen) und auf 10 bis max. 15 Jahre Dauer ausgelegt sei. «Die Stadt Zürich freut sich, wenn der Heimplatz ein attraktives nächtliches Gesicht erhält und damit ein Beitrag zur Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum und zur Lebensqualität der Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner geleistet werden kann», ist auf dem erläuternden Plakat zu lesen. Es muss der Vorsteher des federführenden Tiefbauamtes, Stadtrat Richard Wolff sein, der sich als «Stadt Zürich» sieht und freut. Als Stadtbewohner würde ich mich über mehr Aufenthaltsqualität auf diesem Platz am Tag freuen.
Das Gesicht dieses Platzes wird durch die Fassaden der drei grossen Häuser geprägt. Diese sind, jedes in seiner Art, formal stark, ausreichend präsent und müssen nicht nachts von farbigen Punkten „gestreichelt“ werden, um den Zusammenhalt untereinander zu stärken.
Auch mit der geplanten Neugestaltung wird der Heimplatz am Tag ein unwirtlicher Verkehrsknoten bleiben. Daran werden weder weisser Marmor am Boden, noch zusätzliche Bäume etwas ändern. Zum Kiosk mit Bedürfnisanstalt, dem Denkmal für Ignaz Heim, der nicht in Sklavenhandel verwickelt war und deshalb auf seinem Sockel mit der schwülstigen Inschrift bleiben muss, den Masten für die Fahrleitungen von Tram und Bus wurde, als alles dominierendes Objekt, nun dieser Stängel gepflanzt. Was der mir an Lebensqualität bringen soll, bleibt mir verborgen.
Damit aus diesem Verkehrsknoten wieder ein Platz wird, müsste der Heimplatz entrümpelt und der Zeltweg, der ihn diagonal durchschneidet, aufgehoben werden. Das würde die Aufenthaltsqualität erhöhen und den drei grossen Häusern am Platz den ihrer Bedeutung angemessenen Raum geben. Mit Wehmut erinnere mich an das leichte Mobile von Alexander Calder, das einst über diesem Platz schwebte, nicht programmiert werden musste, keine Energie brauchte und doch spielerisch auf jeden Windhauch reagierte, leicht, fragil und zurückhaltend, nicht so aufdringlich, wie dieser blöde, am Tag sinnlose Stängel.
Hugo Wandeler ist dipl. Architekt ETH/SIA und Planer FSU in Zürich