Die Stadt-Land-Schweiz: Sieben Stadtkantone, sieben Landkantone. Viel Spass beim Diskutieren im Parlament wünschen wir. Fotos: Illustrationen: Marcel Bamert, WOZ

Innerrhödler und Genferinnen

Die WOZ setzt in ihrer aktuellen Ausgabe die Kantone neu zusammen: Aufgeteilt in Stadt und Land, aufgereiht entlang von Flüssen oder gepaart zu hintergründigen Tandems. Kantonsanimation zum Jahresstart.

Neu und anders zu lesen, was in den Köpfen felsenfest sitzt: Das wird in der Raumplanung immer wieder mal probiert. 2005 etikettierte das Städtebauliche Porträt des ETH-Studio Basel von 2005 die schweizerischen Raumstrukturen neu, politisch korrekt versuchte es das Raumkonzept Schweiz 2012. Nur die Kantone, sie werden bei solchen Übungen nie in Frage gestellt, jedenfalls nicht direkt, stellen die WOZ-Redaktorinnen Bettina Dyttrich und Kaspar Surber in der Ausgabe vom 7. Januar fest.

Das ändern sie mit sechs farbenfrohen Schweizerkarten. Dyttrich und Surber dachten sie aus, Illustrator Marcel Bamert zeichnete sie. Da gibt es die aufgeräumte neunteilige Postschweiz, den Regionen mit derselben ersten Postleitzahl-Ziffer entsprechend, wo etwa das protestantische Bern und das katholische Oberwallis zusammenfinden. Es gibt die Migros-Schweiz: Ein Siebenregionenland aufgrund der Konzernlogistik, welche die Autorinnen aber raumplanerisch nicht überzeugt. Dabei ergänzen sie treffend: Die Ver- und Entsorgung mit Kriterien wie kurzen Transportwegen, regionalen Wertschöpfungsketten, integrativer Kreislaufwirtschaft wäre durchaus ein spannender Startpunkt für eine Neo-Landesaufteilung.

Demokratiepolitisch explosiv ist der Entwurf der Stadt-Land-Schweiz. Genf und Basel bilden mit Zürich, Bern, Luzern und St. Gallen sieben Stadtkantone, denen sieben riesige Landkantone gegenüberstehen. Ob das die Abstimmungsgräben vertieft oder das gegenseitige Mentalitätsverständnis in den absehbaren Diskussionen erhöht?

Poetisch-landschaftlich kommt die Flussschweiz daher. Pantha Rhei in alle Himmelsrichtungen. Sie kennt zwei Rheinkantone vor und nach dem Bodensee, einen Linth-Limmatkanton und das Engadin steht als Inn-Kanton allein da – «und muss sich entscheiden, ob es vor allem ein Resort für die Reichen sein will - oder doch etwas Sinnvolleres.» Hinter dem Flussgedanken steht übrigens ein klimatischer: «Ein sorgsamer Umgang mit den Gewässern wird immer wichtiger.»

Ganz neu zusammengeflickt wird am Schluss die Partnerschweiz: Dyttrich und Surber vertindern jeden Kanton mit einen weit entfernten anderen. Sie verbünden «das reiche Zug mit dem revolutionären Jura, das konservative Appenzell Innerrhoden lernt vom weltoffenen Genf, Aargau und Wallis tauschen Weinbauwissen aus, die Berner Reitschule mag das St. Galler Palace schon lange und die ThurgauerInnen tagen jeden zweiten Monat in Lausanne.» Die Karte wirkt zerfetzt, die arrangierten Hochzeiten scheinen raumplanerisch sinnlos, weil sie funktional-räumliche Überlegungen komplett ignorieren – aber die Sache hat Charme und wer weiss, vielleicht führt die Coaching-Schweiz zu besseren Heimaten, als wenn sich stets alle nur um selbst kümmern.

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