Das dreiteilige Projekt: Hochhäuser, flaches Stadion und dahinter die Wohnsiedlung der ABZ. Fotos: Nightnurse Images

Am Schluss ein Ja

Man kann sie drehen und wenden, wie man will: Die dreiteilige Zürcher Stadion-Vorlage hat auf jeder Seite einen Tolggen. Trotzdem empfiehlt Hochparterre ein Ja zum Stadion und seinen flankierenden Massnahmen.

174 Genossenschaftswohnungen, ein Fussballstadion und zwei Hochhäuser sollen auf dem Hardturm-Areal am Rand des Zürcher Kreis 5 gebaut werden. Das Gelände gehörte der Credit Suisse, aber als ihr erstes Stadion-Projekt gescheitert war – das architektonisch grossartige «Pentagon» von Meili, Peter Architekten mit dem fragwürdigen Shoppingcenter als Mantelnutzung –, verkaufte die Bank das Areal der Stadt. Bedingung: Bis 2035 muss dort ein Fussballstadion stehen, sonst erhält die CS das Land zurück und kann es nach ihrem Gusto überbauen.

Bis 2035 ist zwar noch Zeit, aber so viele Grossprojekte lassen sich in 17 Jahren dann doch nicht planen und bauen. Viele Chancen dürfte es darum nicht mehr geben für einen neuen Hardturm. Investoren sind dieses Mal HRS Real Estate, Immobilienanlagegefässe der Credit Suisse sowie die Allgemeine Baugenossenschaft Zürich ABZ. Die Architektur der drei Projektteile haben Pool Architekten, Caruso St. John Architects und Roger Boltshauser entworfen. Diese Investoren und Büros gewannen 2016 gemeinsam den von der Stadt ausgelobten Investorenwettbewerb.

Jetzt aber zur Sache. Da sind als erstes die 174 Genossenschafts-Wohnungen: Weitgehend unverdächtig, gut und willkommen. Und doch fragt man sich: Wie angenehm ist es wohl, neben einem Fussballstadion zu wohnen? Viele werden das Spektakel ertragen müssen, weil sie eine günstige Wohnung brauchen. Umso wichtiger ist ein gutes Miteinander von ABZ und Stadionbetreibern. Vorbilder für Stadt-Stadien gibt es genug, selbst in Wohnquartieren – die englischen zum Beispiel.

Jetzt zum Herzstück: Endlich wieder ein Fussballstadion für Zürich! Von der Bedeutung des Tschutens kann man sich auf jedem Schulhausplatz überzeugen. Das Stadion ist das Zuhause dieses Sports, der Ort des gemeinsamen Erlebnisses, seine Arena. Aber – Zürich hat doch schon ein Stadion?! Ja, den Letzigrund, der für die Zürcher Fussballfangemeinde zu gross ist und obendrein nie als Fussballstadion gedacht war. Wie wichtig ein passender Bau für die Atmosphäre ist, begreifen wohl gerade Architektinnen und Architekten gut. Man versteht darum die kleinen und grossen Fussballfans, die sich wieder einen echten Hardturm wünschen. Auch wenn das jetzige Projekt das architektonisch trockenste ist im Vergleich zum Pentagon und zum Vorschlag von Burkard Meyer Architekten für ein öffentlich finanziertes Stadion, das 2013 an der Urne scheiterte.
Nur, was passiert mit dem Letzigrund ohne Fussballspiele? Reichen Popkonzerte und Leichtathletik für den Betrieb eines städtischen Stadions? Darüber ist zurzeit verdächtig wenig zu lesen. Aber die Frage ist auch nicht ganz neu. Die Stadt arbeitete den Letzigrund ab 2001 als Leichtathletik-Stadion aus, während Private gleichzeitig das Stadion Zürich für den Fussball auf dem Hardturm planten. Man geht also schon lange von zwei Stadien in der Stadt aus – und genauso lange kann man noch weiter diskutieren, ob es sie wirklich braucht.

Bleiben die Türme. Vorne im Autobahnspickel sollen sie die neue Zürcher Höchstmarke von 137 Metern setzen, darin 570 Wohnungen und viel Gewerberaum. Zürich kann mehr Wohnungen brauchen, vor allem bezahlbare. Diese aber dürften eher teuer werden und es schmerzt darum, dass die Stadt ein eigenes Grundstück dafür hergibt. Das aber ist der Deal. Die Hochhaus-Wohnungen werfen offenbar soviel Ertrag ab, dass man damit ein Stadion querfinanzieren kann. Wer zahlt, sind also vor allem die Mieterinnen und Mieter – und wenn diese mit solchen Projekten steigen, heisst das: alle. Auch hilft die Stadt dann doch ein bisschen mit: Für den Boden unter den Hochhäusern zahlen die Investoren einen reduzierten Baurechtszins, sodass die Stadt jährlich auf 1,7 Millionen Franken verzichtet. Rein privat finanziert ist das Stadion also nicht. Zur Finanzierung gibt es etliche Rechnungen, etwa von der SP, die das Projekt bekämpft. Die AL wiederum hat die SP-Rechnungen zerpflückt und Stimmfreigabe beschlossen. Kaum etwas zeigt deutlicher: Die Hochhäuser sind die Kröte, die schlucken muss, wer das Stadion will.

Städtebaulich betrachtet stehen die Türme richtig im Limmattaler Hochhausfeld – aber nicht dort, wo man auf Anhieb wohnen möchte. Und es wird auch nicht einfach, dort Stadt zu schaffen. Dazu aber sollten die Bauträger verpflichtet werden. 570 Wohnungen und viel Gewerberaum bringen zusammen mit dem Stadion einigen Publikumsverkehr. Doch damit ist nicht automatisch ein Ort entstanden, wo man auch gerne hingeht. Die Bauträger sollen einen belebten und schönen öffentlichen Raum ringsum Hochhäuser und Stadion schaffen, und die Stadt als Bewilligungsbehörde dies einfordern.

Und dann sind da noch zwei Tränen: Die groteske der Höngger, die um ihre Aussicht bangen und über die man nur lachen kann: Willkommen in der Stadt – eure Kinder werden noch ihre helle Freude an der Hochhaus-Skyline haben. Und die wehmütige der Stadion-Brache, dieser Ort für viele und für viele Fantasien, der in dieser Form verschwindet. Doch – war Stadt nicht das, was sich stets verändert?

Trotz aller Tolggen empfiehlt Hochparterre ein Ja zum Stadion und seinen flankierenden Massnahmen.

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