‹Giro dei Secoli›, Poschiavo: Die Mauern wurden geflickt oder neu gebaut, wie hier beim Abschnitt ‹Castel›. Alles gänzlich ohne Beton.
Fotos: Juliette Chrétien
Der Rundweg ‹Giro dei Secoli› im bündnerischen Poschiavo verbindet das mittelalterliche Puschlav mit demjenigen aus dem 19. Jahrhundert und zeigt, wie vielschichtig selbst der hinterste Zipfel der Schweiz ist.
Auf den ersten Blick sieht es nach einem einfachen Waldweg aus. Erst bei genauerem Hinschauen entdeckt man die Qualitäten: Schöne Trockenmauern stützen Hang oder Weg, alles ohne Beton. Vor Banknischen in der Mauer teilt sich der Wald wie von Zauberhand. Im Blick: die Kirchen und Palazzi von Poschiavo. Die Neigung des Wegs ist bequem und bleibt auch so. Dabei gab es ihn jahrzehntelang nicht, diesen Weg. Mehr noch: Man wusste nichts von ihm.
Wiederentdeckt hat ihn Giacomo Paravicini, ein Luzerner Architekt mit Puschlaver Wurzeln. Sein Vater las in den Memoiren seines Grossvaters: Letzterer habe als Kind an einem Spazierweg mitgebaut, angelegt vom Verschönerungsverein eines 1889 gegründeten Städtchens namens ‹Il Risveglio› (das Wiedererwachen). Der Urenkel forschte, fand verfallene Mauern und zugewachsene Wegstücke. Er gründete den Verein neu, organisierte Gelder, liess Maurer flicken, Forstwarte fällen, Freiwillige schaufeln. Sieben Jahre später ist der Weg wieder da. Den Flanierweg hat Paravicini mit Maiensässwegen verbunden, die uralt und im Bundesinventar der historischen Verkehrswege verzeichnet sind. ###Media_2### ###Media_1###
Der bezaubernde Mischwald mit Lärchen zwischen Eschen und Ahornbäumen geht über in einen Fichtenforst. Der Weg wird steiler, Stellsteinpflaster stützt den Schritt. Der Architekt zeigt auf Spuren von Schlitten, die Heu ins Tal befördert haben. Vom Maiensäss, dem höchsten Punkt, geht der Blick über den Lago di Poschiavo nach Italien. Hinter dem Felsen mit längst verschwundener Burg geht es entlang einer langen Mauer wieder abwärts, bis zur Treppe. Die war nötig, um aus der Via einen Giro zu machen. Sie ist der Paukenschlag zur Aufführung. Zwar bettet auch sie sich in den Hang, doch sie ist das genaue Gegenteil der anderen Eingriffe: ein neuer, kraftvoller Kunstgriff, der sich über mehr als 400 Stufen hinabschlängelt – oder als Hi...
Eine Runde Südtal
Der Rundweg ‹Giro dei Secoli› im bündnerischen Poschiavo verbindet das mittelalterliche Puschlav mit demjenigen aus dem 19. Jahrhundert und zeigt, wie vielschichtig selbst der hinterste Zipfel der Schweiz ist.
15.10.2025 14:00