Betretbares Bühnenbild

Die Lewa-Savanne im Zoo Zürich ist auch ein landschaftsarchitektonisches Erlebnis. Die Szenografie lässt die Anlage mit dem Wald auf dem Zürichberg verschmelzen.

Fotos: Hannes Henz

Die Lewa-Savanne im Zoo Zürich ist auch ein landschaftsarchitektonisches Erlebnis. Die Szenografie lässt die Anlage mit dem Wald auf dem Zürichberg verschmelzen.

1991 wurde Alex Rübel Direktor des Zürcher Zoos. Schon kurz nach seinem Antritt hat er von Vetsch Landschaftsarchitektur den ‹Masterplan 2020› ausarbeiten lassen, der einen Paradigmenwechsel von der Präsentation exotischer Tiere zu wissenschaftlich fundiertem Artenschutz mit Informationswert planerisch skizzierte. Knapp dreissig Jahre später hat sich die Fläche des Zoos von 13 auf 27 Hektaren mehr als verdoppelt. Diesen Sommer wurde der Direktor pensioniert, die neuste Anlage, die Lewa-Savanne, könnte man als sein Abschiedsgeschenk bezeichnen. Geplant und umgesetzt hat die 5,6 Hektar grosse Heimat von Breitmaulnashörnern, Grevyzebras, Giraffen und vielen anderen Tieren das Nachfolgebüro Vetschpartner. Als Gesamtleiter hat es acht Planerbüros, rund fünfzig zooseitige Ansprechpartner und rund hundert Unternehmer und Fachplaner dirigiert. Die Planung dauerte zwei, die Umsetzung zweieinhalb Jahre.

Geht die Lewa-Savanne nahtlos in die Wiesen und Felder des Zürichbergs über? Nein, aber die Landschaftsarchitekten haben die Zäune der Anlage im Zoo Zürich geschickt unter einem als Böschung gestalteten Geländesprung versteckt.

Anders als das benachbarte Elefantenhaus, das ein spektakuläres Architekturobjekt ist, ist die Lewa-Savanne von der Landschaft her gedacht: Sie ist ein betretbares Bühnenbild – für Tier und Mensch. Die Wegführung und die Geländemodellierung bilden das Rückgrat einer ausgeklügelten Besucherdramaturgie. Die Landschaftsarchitekten haben dafür mitten durch den leicht abfallenden Hang einen grossen und einen kleinen Geländesprung gelegt. Die Anlage beginnt auf dem erhöhten Weg entlang einer grossen Abbruchkante. Dort kann sich die Besucherin zuerst einen Überblick verschaffen. Ihr Blick schweift weit über das Zoogelände hinaus bis zum Wald am Horizont. Es scheint, dass die Savanne nahtlos in die Wiesen und Felder auf dem Zürichberg übergeht, denn ihr talseitiger Zaun liegt unsichtbar unter einem zweiten, als Böschung gestalteten Geländesprung. 

Eine Glasscheibe trennt Besucher und Hyäne. Das Tier lebt zwischen künstlichen Kopjefelsen, die nach einer Fotostrecke des afrikanischen Originals gebaut wurden.

Minutiös rekonstruierte Felslandschaft
Der Parcours führt in eine künstliche Schlucht, dann über eine Voliere durch das Giraffenhaus (in dem auch die Nashörner wohnen). Danach landet man im sogenannten Lewa-Dorf mit Infohäusern, Restaurant und Picknickplätzen. Es ist das Zentrum für die Besucher, vor dem sich die Antilopen, Nashörner, Giraffen und Zebras zum Trinken und Baden versammeln. Letzte Station sind die hausgrossen, für die afrikanische Savanne typischen Kopjefelsen. In dieser nachgebildeten Gesteinsformation sind die Anlagen der Stachelschweine und Hyänen untergebracht. 

Blick in die künstliche Schlucht der Lewa-Savanne im Zoo Zürich. Hinter der täuschend echten Sandsteinwand liegt das Giraffenhaus.

Felsen, Wadis, Infohäuschen oder die bis zu zwanzig Meter grossen Affenbrotbäume sind genau nach ihren Originalen in Afrika gebaut. Die Kopjefelsen etwa haben die Landschaftsarchitekten nach einer Fotostrecke zuerst als Kartonmodell erstellt, dann fotogrammetrisch vermessen, um daraus ein digitales 3-D-Modell zu bauen. Es diente als Planungsgrundlage für die Stahl- und Kunstfelsbauer. Die für die Lewa-Savanne typischen Affenbrotbäume sind mehr als nur stille Statisten, sie spenden auch Schatten und Futter. Sie bestehen aus einer komplexen Stahlkonstruktion mit Betonüberzug – allein das Dokument, das ihre Statik beschreibt, ist 342 Seiten gross. Ausgeklügelt sind auch die Trennungen der einzelnen Tierarten in den Aussenanlagen. Gatter und Zäune sind soweit als möglich natürlich gestaltet oder, wenn das nicht möglich war, so in die Szenografie eingebaut, dass sie kaum sichtbar sind oder nicht auffallen. Viele kleine konstruktive und szenografische Details machen den grossen landschaftsarchitektonischen Reiz der Anlage aus: Man hat das Gefühl, die Tiere bewegten sich frei auf ihrer Bühne.

Situationsplan

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