In diesem Monat jährt sich der Todestag des syrischen Autors Khaled Khalifa. Einer seiner letzten Texte beschreibt sein ambivalentes Verhältnis zur Limmatstadt.
Eine lange Übung in Sachen
Einsamkeit
In diesem Monat jährt sich der Todestag des syrischen Autors Khaled Khalifa. Einer seiner letzten Texte beschreibt sein ambivalentes Verhältnis zur Limmatstadt.
In einer knappen Woche werde ich Zürich verlassen und nach Damaskus zurückkehren, und michz treibt die Frage um, was bleibt, wenn wir die Städte, in denen wir eine Zeitlang gelebt haben, wieder verlassen: Wie graben sich die Orte in unser Gedächtnis und in unsere Tagträume ein? Als ich in einer kalten Nacht kurz nach Neujahr in Zürich ankam, war die Stadt still, die Limmat dunkel, an den Ufern lagen noch ein paar Reste Schnee. Ich freute mich auf das Leben in dieser Stadt, nie hätte ich gedacht, dass ich jemals länger als drei Tage zu ihren Bewohnern gehören würde. Ich verbinde widersprüchliche Empfindungen mit der Stadt, sie hat mir viel gegeben – aber in einem ganz anderen Sinn, als ich bei meinem ersten Besuch im Jahr 2020 gedacht hätte.
Damals war ich mit der Übersetzerin und Freundin Larissa Bender an einem Nachmittag hier angekommen; es war eine Station auf der Lesereise zu meinem Roman ‹Der Tod ist ein mühseliges Geschäft›. Während der abendlichen Veranstaltung war eine etwa 90-jährige Frau aufgestanden und hatte um das Wort gebeten, weil sie frühzeitig gehen musste, um ihren Zug zurück in ihr Dorf zu erreichen. Sie habe den Zweiten Weltkrieg erlebt und darauf gewartet, dass jemand über sie schreibe, sagte sie. Aber das sei nicht passiert. «Und nun sind Sie nach all diesen Jahren gekommen und haben über mich geschrieben.» Bei diesen Worten zeigte sie auf mich. «Ich bin Bulbul, die Hauptfigur in ‹Der Tod ist ein mühseliges Geschäft›», fügte sie hinzu, dann ging sie hinaus und hinterliess eine unauslöschliche Erinnerung in mir.
Beim zweiten Besuch im Jahr 2022, diesmal auf einer Lesereise zum Roman ‹Keiner betete an ihren Gräbern›, war Zürich unsere dritte und vorletzte Station. Nach der Veranstaltung kam eine Frau in den Fünfzigern zu mir und sagte, meine Bücher stünden bei ihr zu Hause und ich möge deshalb auf einem weissen Blatt ...
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