Bümpliz mon amour

Ferien in der grössten Satellitenstadt der Schweiz – und eine Lehre in Städtebau, Design und über eine Epoche der Zuversicht. Erster Beitrag zum Jubiläum der Stiftung ‹Ferien im Baudenkmal›.

 

Fotos: Studio Gataric
In Zusammenarbeit mit Ferien im Baudenkmal

Ferien in der grössten Satellitenstadt der Schweiz – und eine Lehre in Städtebau, Design und über eine Epoche der Zuversicht. Erster Beitrag zum Jubiläum der Stiftung ‹Ferien im Baudenkmal›.

 

Weit unter dem Balkon kreist ein Schwarm Krähen. Der Himmel hinter den Hügeln ist rot, so wie das Sofa hinter mir. Die Tonbandrollen des Revox, Modell A77 MKII drehen sich, Nina Hagen kreischt, irgendwas mit Bahnhof Zoo. Die Krähen drehen ab, nach rechts zum Stern von Bethlehem auf einem Glockenturm. Dahinter reihen sich Hochhäuser auf, so hoch wie meins, zwei, drei, vier, fünf Stück. Mein temporäres Zuhause befindet sich im 14. Stock. Ich mache Ferien in Bümpliz. ###Media_2### Na ja, Ferien. Einerseits wird die Maisonette Nr. 99 im Hochhaus H10 des Fellerguts, Baujahr 1972, über die Plattform Ferien im Baudenkmal vermietet. Andererseits spielt Bümpliz-Bethlehem auf der Webseite von Bern Tourismus keine Rolle. Meine Wohnung ist ein «Environment» des Künstlers Florian Dombois, der seinen Besitz nicht bewohnt, sondern für andere öffnet. Meine Ferien sind nicht nur eine Reise nach Bern, sondern auch in die Siebzigerjahre meiner Kindheit. Im Küchenschrank stehen unkaputtbare Superfest-Gläser aus der DDR neben der Kaffeemühle KRUPS 75 aus der BRD. Zum «Druckkochtopf» gibt es das dazugehörige Kochbuch. Ich gehe auf der Treppe über Spannteppich, betätige Max Bills Feller-Lichtschalter, dusche umgeben von Kacheln in der Farbgebung einer Leberwurst, alles original. Ich bewohne eine Welt, halb Denkmal, halb Kunstwerk. Grosssiedlung aus Platten Die Info-Mappe zum Baudenkmal hat Florian Dombois in der Schrift Frutiger LT Pro, 45 Light von 1975 gesetzt. Darin erfahre ich, dass der Typograf Adrian Frutiger in der Nähe wohnte. Und ich erfahre auch, dass die Tassen, Teller und Kannen (Rosenthal Studio Line von Tapio Wirkkala) aus dem Café der legendären documenta 5 stammen, die der Berner Harald Szeemann 1972 kuratiert hat. Die zerlegbaren Betten hat der Wohnungsbesitzer selbst gebaut, aus weiss beschichteten Holzplatten und Verbindern der Marke «Klem»; letztere haben in ...

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