Holzverschalte Johnson-Türme für die industrielle Zementaufbereitung. Staumauer Oberaar. Tempera, Kreide und Bleistift auf Papier, 1952. Fotos: Emil Zbinden

Zbindens Berge

Holzschneider Emil Zbinden war auch Landschaftsmaler. Er hat das Bergbild bereichert, weil ihn Landschaft als Produkt von Arbeit und nicht als schöner Naturzustand interessiert hat.

Auf dem Büchergestell meiner Grossmutter lagerte Jeremias Gotthelf in 16 Bänden, eingefasst in hellrotes Leinen, gesetzt in Fraktur. Bevor ich diese Schrift lesen konnte, fesselten mich die teils seitengrossen, schwarz-weissen Illustrationen: Häuser mit mächtigen Dächern, Männer mit kantigen Fäusten, Pfarrer mit schnittigen Frisuren und Bäuerinnen mit grossen Kochmessern. Die Bilder gehören zu den eindrücklichen, bleibenden, ergreifenden in der Geschichte des Buches. Gestaltet hat sie der Berner Künstler Emil Zbinden (1908–1991). Zwischen 1936 und 1953 verfertigte er mehr als 900 Holzschnitte. Er lässt mich bis heute rätseln, wenn ich, nun Fraktur gut lesen könnend, in seinem Gotthelf stöbere: Warum dieser Widerspruch zwischen den patriarchalisch-archaischen Dramen des Emmentaler Pfarrers und der proletarisch-aufmüpfigen Bilderkunst des Realisten aus der Stadt? Eindringlicher und bleibender als Franz Schnyder mit seinen fünf Gotthelf-Filmen hat Emil Zbinden mein Gotthelf- und Emmental-Bild geprägt.Der Berg-ZbindenSchon vor drei Jahren habe ich im Bergell in einer Ausstellung in der Ciäsa Granda einen anderen Emil Zbinden getroffen. Zu sehen waren Bilder zum Bau der Albigna-Staumauer: Nebst Holzschnitten von Mineuren und Steinhauern Zeichnungen von Seilbahnen, Kranen und Betonsilos in Kreide, Tusche und Kugelschreiber. Im Hintergrund hoch und ewig Berge in kräftigem Hell-Dunkel. Nun zeigen Jürg Spichiger und Etienne Wismer im Alpinen Museum in Bern die Bilder, die Zbinden vom Bau der Kraftwerksanlagen im Haslital rund um die Grimsel gemacht hat. Dazu ein paar zeitgenössische Fotografien. 1950 erprobte Zbinden zusammen mit seinen Kollegen Eugen Jordi und Rudolf Mumprecht eine künstlerische Zusammenarbeit im Gebirge. Ein paar Sommer lang zeichneten und skizzierten sie Anlagen und Arbeiter. War Gotthelfzeigen Auftragskunst, so war die Kraftwerkskunst freie Arbeit –...
Zbindens Berge

Holzschneider Emil Zbinden war auch Landschaftsmaler. Er hat das Bergbild bereichert, weil ihn Landschaft als Produkt von Arbeit und nicht als schöner Naturzustand interessiert hat.

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