Immanuel Kant und die Blumenrabatte: Zwecklos schön?

Stadtblumen mit Immanuel Kant

Kreuz und quer durch die Stadt Zürich blühen die Stadtblumen zwecklos schön. Eine Morgenspekulation mit Immanuel Kant.

 

Was würde Immanuel Kant, ein Gründervater der Philosophie, zu dieser Rabatte sagen, die die Gärtnerinnen und Gärtner von Grün Stadt Zürich bei der Nordbrücke in Wipkingen angelegt haben? Er würde, vor der schnell vergänglichen, prächtig leuchtenden Vielfalt vielleicht denken: «Was schön ist, weiss ich nicht. Hier aber sehe ich, wie ich das Schöne erkennen kann.» Statt der Ontologie nachzuhängen, hat er ja mit einer kleinen Verschiebung der Frage die Erkenntnistheorie befördert und damit einen der Grundsteine der Moderne gelegt. «Geschmack», so sagte er, sei «das Beurteilungsvermögen eines Gegenstandes oder einer Vorstellungsart durch Wohlgefallen, oder Missfallen, ohne alles Interesse. Der Gegenstand eines solchen Wohlgefallens heisst schön.» Kurz – vor der Blumenrabatte sinnierend hätte ihm aufgeleuchtet, dass Schönheit kein logisches Erkenntnisurteil ist, sondern immer subjektiv – zwecklos schön.

Komplexe Schönheit

Nun weiss ich nicht, ob die Gärtnerinnen von Grün Stadt Zürich das auch so sehen. Ihre Schönheitsproduktion ist durchaus an den Zweck des Lebensunterhalts gebunden und mit kundiger Hand haben sie die Pflanzen, von denen ich nur die wenigsten namentlich kenne, nach pflanzensoziologischem Wissen und mit farbentheoretischem Kalkül zusammengestellt, damit sie mit aller Kraft auf mich, den Spaziergänger, wirken. Und die Kalkulation geht auf, sie lösen in mir morgendlich zweckloses Wohlgefallen aus. Natürlich wollen wir die Stadtbienen nicht vergessen, die auf dem Beet scheinbar zwecklosen Wohlgefallens Nektar finden. Und wer weiss, vielleicht steht hinter dem mein Gemüt mit Schönheit füllenden Beet eine klimapolitische Avance der Gartenpolitiker der Stadt, die herausgefunden haben, dass die Kombination all der wunderbaren Farben, auch die Stadthitze mildert? Und auch auf mich als Staatsbürger wirkt der Garten: So habe ich zweckvoll schöne Freude daran, wie mein Steuerfranken eingesetzt wird. 

Wie auch immer – ich halte mich an Immanuel Kant und sitze aufs Bänkli vor der Rabatte und nehme einen Schluck zwecklose Schönheit – Wohlgefallen ohne alles Interesse – mit auf den weiteren Lebensweg. 
 

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