Am Stand von Axel Vervoordt, der Kunst und Antiquitäten mischt. © Jan Liegeois

Objekte aller Art

Was ist ein Objekt? Die Brüsseler Kunst- und Antiquitätenmesse Brafa lädt zum Nachdenken ein.

Ist ein Comic Kunst? Auf jeden Fall, meint Bernard Soetens von der Belgian Fine Comic Strip Gallery. Der Belgier ist Experte für Hergés graphische Arbeit. Die Machart sei komplex, sagt er und deutet auf die ersten Entwürfe des bekannten belgischen Comiczeichners. Moderne Kunst drehe sich dagegen bloss im Kreis, sagt er. Kunst hin oder her: Seine Hergé-Originale finden Käuferinnen und Käufer, die sich auf diese besondere Kunstform spezialisiert haben. Zwei Blätter des bekannten «Tintin»-Comic-Strip «On a marché sur la lune» konnte er an einen Schweizer Sammler verkaufen.

Ist Comic Kunst? Die Belgian Fine Comic Strip Gallery zeigt Originalzeichnungen von Hergé (George Rémi) und Blätter aus dessem «Album à colorier», 1944
Was Kunst ist, ist nicht immer so einfach zu definieren. Die Brüsseler Messe Brafa entwickelte sich im Laufe der Jahre zu einer Veranstaltung mit breit gefächertem Angebot. Seit einigen Jahren gehören auch zeitgenössische Kunst und Design dazu. Was die einen als fehlendes Profil kritisieren, loben andere als Vielfalt: Hier wird die Gesamtheit menschgemachter Artefakte seit den Anfängen der Zivilisation gezeigt.
Morentz zeigt ein Sideboard von 1970 von George Nakashima (1905-1990).

Die 64. Ausgabe der Brafa Art Fair fasst den Begriff des Kunstobjekts tatsächlich sehr weit. So werden neben Antiquitäten und Design auch seltene Mineralien und abenteuerliche Gesteinsformationen angeboten. Das gibt Gelegenheit, das Auge zu schulen und etwas nachzudenken über die feinen Unterschiede. Gerade, was den Wert dieser Objekte aller Art betrifft: vom Gebrauchsgegenstand wie einem Möbel über ein Objet d’art bis zum archäologischen oder geologischen Fundstück. Warum wird ein Objekt zum Sammelgegenstand? Und wie ist dieser spezielle Markt bestellt?

Objekte für die Kunstkammer
Die belgische Galerie Porfirius Kunstkammer bietet Objekte an, die zu einer Kunst- und Wunderkammer gehören: Preciosia sind kunstvolle menschgemachte Objekte. Zu den Scientifica gehören wissenschaftliche Instrumente wie Sonnenuhren oder Sextanten. Die Naturalia umfassen Objekte aus der Natur wie seltene Mineralien. Und unter Exotica fallen Objekte aus fremden Ländern, aus europäischer Perspektive, notabene. Die Idee der Kunst- und Wunderkammer stammt aus der Spätrenaissance. Als Pars pro Toto zeichnet sie ein Bild des gesamten, bekannten Universums. Kunstkammern bereiteten den Weg zum Museum, wie wir es bis heute kennen. Die enzyklopädische Art des Sammelns sei auch heute «ein intellektuelles Vergnügen», sagt der Galerist Alex Van den Bossche. Er hat sich auf die zeitgenössische Interpretation der Kunstkammer spezialisiert. Interessierte stellen sich bei ihm also entweder eine kleine Sammlung zusammen, die in einem grossen Setzkasten Platz findet, oder kaufen einzelne Objekte.

Porfirius Kunstkammer lässt das alte Modell der Kunstkammer im Setzkasten hochleben.
Das teuerste Stück, das er an der Messe anbietet, ist eine kunstvoll gedrechselte, kleine Holzschatulle für 175'000 Euro. Sie kommt aus England und ist Mitte des 16. Jahrhunderts datiert. Allerdings stammte der Handwerker, der das Stück fertigte, aus Deutschland, dasselbe gilt für die Drehbank. Niemand beherrschte damals diese Technik so gut wie deutsche Kunsthandwerker. Es ist tatsächlich kaum vorstellbar, wie man so filigran drechseln kann, so winzig sind die feinen Ornamente der Schachtel. Sie wurde nicht hergestellt, um als Aufbewahrungsgegenstand genutzt zu werden, sondern als ein Kunstkammer-Objekt: Ein vollkommen nutzloses Stück Holz, dessen einzige Funktion darin besteht, von der Kunstfertigkeit des Menschen zu zeugen. Stellt man Objekte aus der Natur dazu, relativiert man wiederum die schöpferische Kraft des Homo Faber. Denn auch Mineralien sehen manchmal aus wie Kunstwerke. Wer hat als Kind nicht schon Nüsse, Federn oder Steine gesammelt? Viele verlieren diesen primären Sammlerinstinkt – andere übertragen ihn später auf andere Konsumgüter, meist auch nutzlose.

Maker unknown
Bei  der Londoner Galerie ArtAncient könnte man für 115'000 Euro Besitzerin eines Meteoriten werden. Der schwarze Octahedrite Meteorit stammt aus einem Einschlag in Sibirien, der 1947 erfolgte.

Kunst oder Objekt? Der Octahedrit vom Einschlag 1947 in Sibirien wiegt über 28 kg. Am Stand von ArtAncient.
110’00 Euro kostet das wunderschöne Ei eines Elefantenvogels (Aepyornis maximus) aus dem 17. Jahrhundert. Ist die Natur eine Künstlerin ohne Namen? «Maker unknown» steht über dem Gogotte-Stein, der bei der gleichen Galerie angeboten wird. Diese aus Quarzkristallen und Calciumcarbonat bestehenden Gebilde sind zwar ururalt, wirken aber wie moderne Skulpturen. Der Mehrwert solcher Objekte ist schwer fassbar. Aber er macht sie zu sammelwürdigen Gegenständen.

Zwischen Kunst und Politik
Sind das die gleichen Käuferinnen und Käufer, die ein paar Stände weiter zeitgenössische oder moderne Kunst kaufen? Schwierig zu sagen. Der belgische Händler, Galerist und Kurator Axel Vervoordt, der Ende 2017 mit «Kanaal» sein privates Museum (mitsamt Wohnungen) eröffnete, macht diese Kombination auch an der Brafa vor. Er bedient Kunden auf der ganzen Welt, für die er zeitgenössische Kunst mit Antiquitäten zu stilvollen Interieurs kombiniert.

Tisch oder politisches Statement? Gesehen am Stand der Heritage Gallery, Moskau.
Auch Möbel übersteigen zuweilen ihre primäre Funktion als Gebrauchsgegenstände. Die Stücke der Moskauer Galerie Heritage zeigen, wie Design zu Propagandazwecken genutzt werden kann. Die seltenen Objekte bedienen ein spezielles Sammelgebiet. Die aufwendig gefertigten Exponate wie zwei Paravents, verschiedene Vasen und Trinkgefässe sowie ein absurder Schreibtisch mit zu Tischbeinen umfunktionierten Gewehren sind mit kommunistischen Insignien versehen. So liess sich Luxus auch im Kommunismus legitimieren. Zu gebrauchen war der für Lenin gefertigte Schreibtisch dann doch nicht: Lenin sass nach einem Schlaganfall im Rollstuhl. So gesehen ist das Möbel nichts anderes als eine als Tisch verkleidete politische Botschaft. Dann doch lieber Steine sammeln.

 

 

 

 

 

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