Als die Zeitschrift ‹Life› 1955 über ‹Throwaway Living› berichtete, war die Wegwerfgesellschaft noch positiv konnotiert. (Foto: Peter Stackpole/Getty)

Material der tausend Möglichkeiten

Die Ausstellung ‹Plastik. Die Welt neu denken› im Vitra Design Museum in Weil am Rhein zeichnet ein kritisches, aber differenziertes Bild vom Fluch und Segen des Allzweckmaterials.

Kunterbunt mischen sich Polyethylen, Polypropylen und Polystyren wie auf einem Bild von Jackson Pollock: Schon das Plakat der Ausstellung im Vitra Design Museum macht die Zwiespältigkeit von Plastik klar: Seine Vielfalt verführt uns seit über hundert Jahren und ist zugleich eine giftige Mischung für den Planeten. Die Ausstellung zeichnet ein kritisches, aber differenziertes Bild vom Fluch und Segen des Allzweckmaterials, ohne das die moderne Zivilisation nicht mehr auskommt. Dafür hat das Kuratorenteam zwei Museen in Schottland und in Portugal mit ins Boot geholt und Exponate von Chile bis China zusammengetragen. Plastik als Weltmaterial. ###Media_2### Die Vorgeschichte begann im 19. Jahrhundert. Die Vorläufer von Kunststoff waren oft Naturstoffe, die sich plastisch verformen liessen: Guttapercha wurde aus dem eingedickten Saft des gleichnamigen Baums gewonnen und zum Beispiel für Seekabelisolierungen benutzt. Schellack für die ersten Schallplatten stellte man aus den Ausscheidungen der Schildlaus her. 1907 erfand Leo Baekeland den ersten vollsynthetischen Kunststoff, den er nach sich selbst benannte. Weil Bakelit gut isolierte, wurde damit der Alltag elektrifiziert – von den Lichtschaltern über Steckdosen bis zu Radios und Fernsehern. Den Durchbruch erreichte Kunststoff mit der Entdeckung, dass Erdöl sich zu unzähligen Materialien verarbeiten lässt. Das Plastozän, wie die Ausstellung das Zeitalter nennt, hat militärische Hintergründe. Was die Armee im Zweiten Weltkriegs erforschte – etwa Nylon für Fallschirme –, entdeckte danach die Konsumgüterindustrie für Strumpfhosen, Tupperware und Barbie-Puppen. Auch Design und Architektur setzten auf Kunststoff, der sich in futuristische Formen giessen liess. Selbst die Ölkrise 1973 dämpfte die Erfolgswelle des Materials nur kurz, dessen Verbrauch sich seither verachtfacht hat. ###Media_3### Vorbehalte gegenüber P...
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Die Ausstellung ‹Plastik. Die Welt neu denken› im Vitra Design Museum in Weil am Rhein zeichnet ein kritisches, aber differenziertes Bild vom Fluch und Segen des Allzweckmaterials.

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