Mit Jürg Altherr verliert die Schweiz einen ihrer ganz grossen Plastiker und die Landschaftsarchitekturszene einen ihrer prägenden Köpfe, schreibt Stefan Rotzler. Fotos: Christian Kurz, Tobia Bezzola, Roger Frei

Im Garten der Gegensätze

Am 1. Juni 2018 ist Jürg Altherr gestorben. Mit ihm verliert die Schweiz einen ihrer ganz grossen Plastiker und die Landschaftsarchitekturszene einen ihrer prägenden Köpfe. Ein Nachruf von Stefan Rotzler.

Jürg Altherr wurde 1944 in eine Architektenfamilie geboren. Sein Grossvater war Direktor des Kunstgewerbemuseums Zürich, sein Vater Architekt und Designer, von ihm stammt etwa der Schweizer Sitzbankklassiker «Landibank». Nach einem kurzen Intermezzo bei Marino Marini an der Designschule Brera in Mailand erlernte Altherr das Metier des Steinbildhauers autodidaktisch in Tessiner Steinbrüchen. Später studierte er Landschaftsarchitektur an der Hochschule in Rapperswil. An der Landschaft faszinierte ihn weniger die Vielfalt der Pflanzen als die Körperlichkeit von Gelände und Erdmodellierung. Vom Studenten wurde er 1976, gleich nach dem Diplom, zum Dozenten mit einem Lehrauftrag in Geländemodellierung berufen. Für Altherr war klar: Nicht abstrakt, sondern in Handarbeit wurden mit Lehm und Sand Landschaftsformationen ausprobiert. Die Serie seiner vielbeachteten (und vieldiskutierten) Projekte begann nach Abschluss des Studiums mit der Aktion «100 Zürcher». Ihnen wurden nackte Rücken- und Gesässpartie abgegossen. Die weissen Gipsseiten der Freiwilligen wurden verschnürt Seite an Seite wie in einer Fleischhalle in einer gigantischen Seilkonstruktion aufgehängt. Speziell dabei auch das konstruktive Moment: das verwendete Tragseil bestand aus einer einzigen - quasi endlosen – Seilschlaufe. Ebenfalls aus einer Gruppenarbeit entstanden ist die hängende Wasserplastik, welche im Rahmen eines Kurses für plastisches Gestalten mit ETH-Studenten 1980 entstand. Ganz oben in der Kuppel der ETH Zürich liess er eine hauchdünne Kunststoffmembran schweben – wie ein umgekehrter Gugelhopf nach allen Seiten hin verspannt. Mit zwanzig Tonnen Wasser gefüllt glich sie einem bedrohlich hängenden, transparenten Organismus; Das verführerisch und schwerelos wirkende Objekt lud zum Schwimmen und Schweben ein, war aber gleichzeitig eine «Wasserbombe» hoch über den wertvollen Buchbeständen...
Im Garten der Gegensätze

Am 1. Juni 2018 ist Jürg Altherr gestorben. Mit ihm verliert die Schweiz einen ihrer ganz grossen Plastiker und die Landschaftsarchitekturszene einen ihrer prägenden Köpfe. Ein Nachruf von Stefan Rotzler.

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