Michael Meier und Christoph Franz bauen auf einer Brache neben der Europabrücke eine verlassene Tankstelle.

Grosse und kleine Kunst

Mit Feuerwerk und Paukenschlag startet Zürich heute das Kunstfestival «Art And The City». Für das Spektakel gibt sich die kleine Stadt gross und global. Am eindrücklichsten ist die Schau aber dort, wo sie lokal verankert ist.

Mit Feuerwerk und Paukenschlag startet Zürich heute das Kunstfestival «Art And The City». Die kleine Stadt gibt sich ganz gross. Weltmännisch viersprachig informiert die Medienmitteilung. Journalisten aus Italien, England, Deutschland sind angereist. Stadträtin Ruth Genner richtet sich auf italienisch an die Gäste. Kurator Christoph Oswald parliert auf Englisch. Im Saal übersetzt jemand für die chinesischen Reporter. Die Stadt will mit der «grössten Freiluftgalerie der Schweiz», wie sie es nennt, ein internationales Publikum ansprechen. Grosse Namen wie Ai Weiwei oder Subodh Gupta strahlen aus. Die Marmorsofas des Chinesen und der übergrosse Wasserkübel des Inders schlagen globale Themen an wie weltweite Warenflüsse oder den Kampf um Wasser.

Am eindrücklichsten ist die Schau aber dort, wo sie direkt mit dem Kreis 5 und seiner Geschichte verknüpft ist. Pierre Haubensak bemalt die Brandmauer des Nagelhauses an der Turbinenstrasse, das sich hartnäckig gegen die Veränderung der Stadt wehrt. Jorge Macchi giesst die Limmat in Beton und legt die Teile auf die Wiese beim Hardhof. Ebenfalls mit dem Fluss arbeitet der britische Künstler Hamish Fulton. Am 23. Juni lässt er zwei Gruppen à je 250 Menschen entlang des Ufers aufeinander zugehen. Schweigend wandern sie von Escher-Wyss-Platz zur Europabrücke und umgekehrt. Michael Meier und Christoph Franz bauen auf der Brache neben der Europabrücke eine Tankstelle aus Holz. Die Ruine ist verlassen, das Erdöl versiegt. Neben der postfossilen Zukunft erinnert das Werk auch an die Vergänglichkeit von Bauten, den Wandel im Quartier.

Zürich holt Kunst einen Sommer lang vom Museum auf die Strasse. Auf einer Karte lassen sich online alle 43 Werke durchstöbern. Doch auch wer nicht gezielt auf die Suche geht, stolpert im Quartier über Skulpturen, Installationen oder Performances. Ende September werden die Arbeiten abgeräumt. Mit einem Kunstpreis prämiert die Stadt Werke, die sie ankauft und die in Zürich verbleiben. So schafft das Sommerspektakel etwas Bleibendes. Die internationale Presse wird es dann nicht mehr interessieren. Für die Menschen und die Identität des Quartiers zählt aber weniger globaler Glanz als lokale Verankerung, die den Umbruch in Zürich-West begleitet und kommentiert.

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