Rosmarie Nüesch-Gautschi Fotos: zVg

Gelebtes Kulturerbe

Zum Ausklang des Kulturerbejahres 2018 hat die Stiftung Grubenmann-Sammlung in Teufen AR besonderen Grund zum Feiern. Die Sammlerin und Stifterin, Rosmarie Nüesch-Gautschi, wird an Weihnachten Neunzig.

«Sie ist gelebtes Kulturerbe und weit mehr als die Gründerin der Grubenmann-Sammlung. Sie ist in ganz Vielem eine Pionierin.» So lobte Matthias Tischhauser, der Präsident der Stiftung Grubenmann-Sammlung, Rosmarie Nüesch-Gautschi. Sie war eine der ersten Architekturstudentinnen an der ETH, sie war die erste Denkmalpflegerin und die erste Kantonsrätin in Appenzell-Ausserrhoden. Sie war eidgenössische Denkmalpflegerin und ist Kulturpreisträgerin und sie setzt sich seit den 1960er-Jahren und bis heute aktiv für die Chancengleichheit der Frauen ein. Auch mit Neunzig hält sie mit ihrer Meinung nicht hinter dem Berg. Die Geschichten aus ihrem reichen Erfahrungsschatz in so vielen Kulturbereichen erzählt sie mit Engagement, Charme und Witz.

Kirche Trogen

Die «Grubenmannen» – so nennt sie die Dynastie der Baumeister und Künstler des 18. Jahrhunderts – seien im Grunde konservativ gewesen. Sie bauten neben vielen Brücken, von denen nur noch drei kleine erhalten sind, fünfzig oder mehr Kirchen in der traditionellen Form, mit Schiff und Chor. Das letzte Werk von Hans Ulrich Grubenmann (1709–1783) war die reformierte Kirche in Trogen AR (1779-1782). Hier stellte Rosmarie Nüesch-Gautschi im Vorfeld ihres 90. Geburtstags Erkenntnisse aus ihrer jahrzehntelangen Forschung vor. Das besondere an dieser Kirche ist nicht nur der farbige Stuck und die Sandsteinfassade, besonders ist auch der im Dachgeschoss vorbereitete Kornspeicher mit einem mächtigen Lastenaufzug, der bis heute zwischen den Dachbalken steht.

Lastenaufzug im Dachstock der Kirche Trogen.

Glanz des 18. Jahrhunderts

Grund für die aussergewöhnliche Gestaltung dieser Kirche war der Einfluss der reichen Textilhandelsfamilie Zellweger. Diese liess sich noch vor dem Kirchenbau ihre Paläste am Trogener Dorfplatz von den «Grubenmannen» bauen, die ihrerseits überaus reich mit Stuck der aus Vorarlberg stammenden Moosbrugger-Dynastie dekoriert sind. Rathaus, Kirche und Waschhaus sind Teil der Dauerausstellung «Jahrhundert der Zellweger».

Moosbrugger-Stuck im Rathaus Trogen zeigt die Landsgemeinde.

Rosmarie Nüesch-Gautschi erinnerte daran, dass die inzwischen rund 300 Jahre alten Bauten lange vergessen waren und erst aufgrund einer Dissertation 1941 wieder bekannter wurden. Seit inzwischen sechzig Jahren hat sie sich selbst diesem Kulturerbe verschrieben. Sie dokumentiert und sammelt alles rund um die Grubenmann-Dynastie und seit 2012 hat die Stiftung Grubenmann-Sammlung im Dachstock des Zeughaus Teufen, dem Heimatort der «Grubenmannen», ihren festen Platz.

Pioniere ohne Statikformeln

«Immer wieder besuchen Fachleute die Ausstellung und wundern sich über das bautechnische Können aus dem 18. Jahrhunderts», stellt Zeughaus-Kurator Ueli Vogt fest. Faszinierend bleibe, dass damals ohne die heutige Möglichkeit von Berechnungen, Konstruktionen mit so grossen Spannweiten gebaut werden konnten. Grubenmann-Kirchen, die breiteste misst 22 Meter, sind mit relativ kleinen aber vielen Balken im Spannwerk des Dachs konstruiert, Balken nur so schwer, dass sie zwei Zimmerleute tragen konnten. Der Estrichboden und die darunterliegende Kirchendecke sind an diesem Dachstuhl aufgehängt. Aktuelle Modellrechnungen zeigen, dass damals optimale Lastenverteilungen gebaut wurden. Diese Lösungen beeindrucken die «Grande Dame» der Ausserrhoder Denkmalpflege und des Heimatschutzes bis heute.

Anstossen auf den Neunzigsten: Stiftungspräsident Matthias Tischhauser, die Jubilarin Rosmarie Nüesch und der Kurator des Zeughaus Teufen, Ueli Vogt.

 

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