Thomas Schütte, Ringe (Rings), 1977-1994

Art Unlimited: Behaust, unbehaust

Kuratiert von Gianni Jetzer, zeigt die Art Unlimited an der Art Basel Werke im wirklich grossen Massstab. Dieses Jahr kreist eine ganze Reihe von Installationen um die Themen Räume und Innenräume. Behaglich ist diese Kunst deswegen noch lange nicht.

Kuratiert von Gianni Jetzer, zeigt die Art Unlimited an der Art Basel Werke im wirklich grossen Massstab. Dieses Jahr kreist eine Reihe von Installationen um die Themen Räume und Innenräume; viele Werke stellen allerlei Gebautes vor. Behaglich ist diese Kunst deswegen noch lange nicht.

Thomas Schüttes «Ringe (Rings)» macht den Auftakt – ein Interieur, das seltsam überdimensionierte Sessel, arrangiert wie in einer Familienaufstellung, vor einer mit Ringen belegten Tapetenwand stellt. Dieser Raum macht aus den Betrachtern Zwerge, erschüttert mit dem Massstabssprung die Hoffnung, wonach Geborgenheit im Privaten liegt. Schüttes Kollege, der deutsche Thomas Demand, baute das Interieur eines Kreuzfahrtschiffes nach – in  gewohnter Manier verfremdet er die reale Situation, indem er alles aus Papier und Karton nachbauen lässt. Doch diesmal beginnen die Bilder zu laufen. Vorlage bot dem Künstler ein Youtube-Video. Es zeigt eine schwankende Überfahrt zwischen Vanuatu und Auckland, Neuseeland. Und schon beginnen die Stühle, die Tische, die Barausstattung immer stärker hin- und herzuschwanken, bis sie durcheinander purzeln.

Melancholisch umwölkt wirkt die Bibliothek von Claudio Parmiggiani, die nur noch als Schattenriss existiert, oder Chiharu Shiotas zartes Environment, das hinter Spinnenweben zu verschwinden scheint. Überhaupt: Poetische Zartheit gibt es ebenso, wie das brachiale Sinnbild. Man findet sie auch in der Installation «Doesn't Care In Words» von Karla Black, die bereits mit dem Titel auf eine wie auch immer geartete begriffliche Verankerung verzichtet.

Konkret wird Ai Weiwei: in Reih und Glied stehen Feldbetten, bunt eingedeckt, darauf akribisch gefaltete Wolldecken, ein schwarzweisser Koffer wacht vor jedem Bett, und antike chinesische Stühle rücken in kleine Alkoven zwischen den Betten. In diesem Zelt wurde niemand heimisch. Aber es bot eine temporäre Heimat für die Menschen, die 2007 eine Reisegenehmigung erhielten, deshalb mit Ai Weiwei an die Documenta in Kassel reisen durften und sich so einen, ihren Traum einer grossen Reise erfüllen konnten. Die Installation «Indivisible» von Michael Joo zeigt, wie Schutz zur Unterdrückung, wie Individualität zur Masse wird. Unter Schutzschilden aus durchsichtigem Plexiglas, wie sie Polizisten gegen aufgebrachte Demonstranten einsetzen, hängen wie in einer Explosionzeichnung eine Fülle von vertrauten und unvertrauten Objekten in der Luft. Wie sehr Heimat von Zugewanderten mitdefiniert wird lässt sich in der Installation des indischen Künstlers L.N. Tallur ablesen. Mit Ziegeldächern und Yogafigürchen verweist er auf die Geschichte einer Ziegelmanufaktur von Schweizer Missionaren, die vor fast 200 Jahren im indischen Mangalore Fuss fassten. Und als wäre die Zeit stillgestanden, überzieht eine dicke Schicht grauen Staubs die Gegenstände, die in der Installation «Purification Room» des verstorbenen Künstlers Chen Zhen aus dem Jahr 2000 alles überzieht – ein postapokalyptischer Blick in einen einst belebten Raum von seltener Melancholie.


Nicht zurück, sondern in die Zukunft blickt Huang Yong Ping. In seiner Installation «Abbottabad» rekonstruierte er in einem kleinen Masstab das Haus, in dem sich Bin Laden versteckte und sein unrühmliches Ende fand. Nun wird das umzäunte Gehöft von Pflanzen überwuchert, und man weiss nicht so recht, ob das nun ein naives Wunschbild einer heilenden Natur sein will oder die Banalität des Bösen aufdecken soll.

Natürlich dürfen die wurstigen Hütten im Adobe Style von Atelier van Lieshout nicht fehlen, die weil aus Fiberglas vor allem olfaktorisch herausfordern. Aaron Curry tut etwa das gleiche aber in schreiend bunt. Die Raumerfahrungen in diesen Hüttchen und Höhlen sind nicht immer auf der Höhe dessen, was von aussen versprochen wird. Da lobt man sich die installative Urhütte in Form von Mario Merz' Iglu, das man nicht einmal betreten muss, um die Raumerfahrung abzulesen. Oder das Modell einer Stadt, die Liu Wei aus Holz schnitt. Und weil es ein Modell ist, die Fantasie entfesselt.

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