Hochparterres Chefredaktor Köbi Gantenbein

Über die Schönheit

Anlässlich der Vernissage des Buches «Die Entdeckung des Kosmos» sprach dessen Herausgeber über die Schönheit der Barkante, des Druckers, der Spekulation und der Freundschaft.

Zur Vernissage des Buches «Die Entdeckung des Kosmos» im Kulturhaus Kosmos in Zürich sprach ich über die Schönheit. Und begann mit der

Schönheit der Barkante.

Am 11. Oktober 2017 feierten wir im Kosmos die Monografie der Vorarlberger Architekten Dietrich/Untertrifaller. Beim Bier nach meinen Worten stand ich mit Bruno Deckert an die Barkante. Er erzählte von seiner Doktorarbeit an der Universität St. Gallen, für die er parallel zum Aufbau des Kulturhauses diesen Aufbau wissenschaftlich begleitet hatte. Niedergelegt in den üblichen sieben Exemplaren für die Akademie, möchte er nun ein «richtiges Buch» aus seiner Dissertation machen. Ich stiess mit Bruno an: Das machen wir. Ich schlug vier «Festlegungen» vor: 1. Das gute Gefühl: ich kenne Bruno Deckert wie ich halt viele kenne – oberflächlich. Jedes meiner guten Projekte hat eine Freundschaft gestiftet. Das könnte geraten. 2. Das Buch muss ein schönes Buch werden. Dafür machen wir einen kleinen Wettbewerb unter Gestalterinnen. 3. Das Eisen ist zu schmieden solange es heiss ist: Zum 1. Geburtstag des Kosmos muss das Buch vorliegen. 4. Bei der Buchfeier für Dietrich/Untertrifaller wollte ich wissen, was deren opulentes Werk gekostet hatte. Sie wollten kein Geld nennen. Wir machten eine Währung ab: «der Tesla». Ein Tesla X kostet 150 000.-. Das schöne Buch in mehreren Sprachen kostete gut anderthalb Tesla. Meine letzte Festlegung: Das Kosmosbuch muss mit einem halben Tesla auskommen. Das Bierglas war leer. Wir verliessen die Barkante.

Die Schönheit des ausführlichen Wortes.

Hochparterre ist ein Verlag für Architektur, Planung und Design. Wir führen einen journalistischen Diskurs. Das Bild ist wichtig, das Wort ist wichtig. Aber wir haben noch nie einen Diskurs über die Stadtentwicklung und das Design eines Unternehmens in so vielen Worten geführt. 416 Seiten Buchstabenberg. Das zu tun, trifft meine nostalgische Vorliebe. Ich bin gelernter Soziologe, ich lese nach wie vor viel Soziologie und habe zahllose Essais und Geschichten soziologisch imprägniert. Und nun ein dickes Buch zu meiner Nostalgie: Die Entdeckung des Kosmos als teilnehmende Beobachtung und weit ausfliegende Gedankenreise.

Zur Schönheit des Wortes gehört dessen Druck. Vorbereitet hat ihn Eleonora Nodari, die erfindungsreiche Designerin des Studios Roth&Maerchy. Mit einer schönen Idee hat sei den Wettbewerb unter dreien gewonnen. Getan haben den Druck die Drucker der Druckerei Odermatt in Dallenwil. Wir erinnern uns – ein  halber Tesla, nicht mehr für alles inklusive. Solche Banden führen dazu, dass viele Bücher in den grossen Druckfabriken in Deutschland oder noch weiter fort fabriziert werden – auch die von Hochparterre. Ich wollte aber eine Druckerei in der Schweiz. Nicht aus national-nostalgischen Gründen, sondern weil ich mit Sorge sehe, wie in unserer kulturellen Umgebung die Druckereien ächzen und immer mehr aufgeben. So verlieren wir die Infrastruktur des gedruckten Wortes. Also habe ich im Wissen, dass deutsche Druckfabriken 30 bis 40 Prozent günstiger arbeiten eine Limite fest gelegt. Den ersten Entwurf konnte keine Druckerei zu dieser Festlegung drucken. Statt die Preise zu drücken und am Schluss doch den Auftrag zu exportieren, hat die Grafikerin Eleonora mit den Druckern Odermatt und Gabriel das Design des Buches – Format, Papier, Ausrüstung – so verändert, bis die Limite möglich war. Das ausführliche Wort wurde zum schönen Wort in Dallenwil.

Die Schönheit der Spekulationen.

Das Buch kauft niemand, sagten einige. Ich sage das Gegenteil. Alle wollen wissen, wie es etwas gibt, das es nicht geben darf, vom Profit der EuropaAllee aus gerechnet. Wobei auch in diesen Millionenklötzen sich in den Parterre-Etagen vielfältige und wenig profitable Läden haben einrichten können. Viele wollen aber auch wissen, wie die komplexe Konstellation der Kosmonauten funktioniert. Wie die drei prägnanten Charakterköpfe der Gründer diese Kiste stemmen.
Ich spekuliere auch: Es gibt kein Buch für wenige, es ist ein Buch für alle. Wer will, liest die Feuilletons zum kosmonautischen Gruppendynamo oder zu den Auseinandersetzungen mit der SBB, dem Liegenschaftseigentümer, den Banken, den Stzadtindianern. Wer mag, steigt ein in die Gedankenschäume von Peter Sloterdjik, in die Theorie des zeitgenössischen Unternehmertums, in die Reflexion der urbanen Intervention und ihren Theorien, interpretiert von Bruno Deckert. Das Buch ist da, der halbe Tesla verpulvert. Die Schönheit der Spekulation heisst: wird sie geraten?

Die Schönheit des Danks.

Das gute Projekt stiftet Freundschaft. Danke Bruno.
Das gute Projekt stiftet Respekt. Danke Monica Märchy, danke sehr Eleonora Nodari.
Danke Architekturbüro Burkhard Lüthi für Pläne. Danke Dimitri Seibane für Bilder.
Das gute Projekt stiftet Erkenntnis. Danke Daniel Odermatt und Stefan Gabriel von der Druckerei Odermatt in Dallenwil und Eleonora Nodari, der Designerin. Die Infrastruktur des Wortes erhalten, kann klappen, auch wenn das Vorhaben einen halben Tesla hat und keinen Franken mehr.
Das gute Projekt kostet. Bücher von diesem Karat ohne Drittmittel gehen nicht. Die Liste an der Wand zeigt die Ermöglicherinnen. Die Stadt Zürich war grosszügig, die Kosmos Lieferantinnen zahlten mit und Kosmos Aktionärinnen waren freigiebig.

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