Hochparterres Chefredaktor Köbi Gantenbein

Schweizer bauen die Welt...

... und vier Gründe warum die Welt sie dafür frägt. Eine Spekulation über den Export von Architektur und Design.

Das Credit Suisse Bulletin, die Zeitschrift der Grossbank, frägt mich für die Dezemberausgabe 2018, was die Gründe sind, warum Architekten aus der Schweiz ihr Werk erfolgreich in die Welt spedieren. Ich dachte nach und kam auf vier:

Fläsch ist ein kleines Dorf im Kanton Graubünden. Immer wieder führe ich Gäste durch die Baukultur unseres Dorfes. Die Nachfrage hat seit 2010 steil zugenommen, denn Fläsch erhielt damals den Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes für seine vorzügliche Ortsplanung. Diese Auszeichnung ist der Schweizer Oscar für Baukultur. So spricht sich herum, dass Fläsch eine Reise wert sei, ja ein Vorbild ist. Nebst Neugierigen aus dem Unterland habe ich seither vielen Gruppen aus dem Ausland das Dorf vorgeführt – Italienern, Deutschen und Österreicherinnen, einmal sogar Chinesen und einmal Japanerinnen. Ab und zu fröhlichen Bildungsreisenden, meist Architektinnen und Planern.

Und so ist der erste Grund, warum Architektur aus der Schweiz in der Welt etwas zählt: Wir bauen gut und wir sprechen gerne darüber. Die Leute reisen aus der Fremde herbei und wollen von uns lernen. Sei es als Weiterbildung oder im Rahmen ihrer Ausbildung an der ETH in Zürich oder Lausanne oder an der Accademia von Mendrisio. Diese Hochschulen haben weltweit einen guten Ruf und sie hüten den Gral der Schweizer Architektur– ein Drittel der daraus Trinkenden kommt aus aller Welt und kehrt wieder dahin zurück, schweizerisch imprägniert.

Im Unterschied zu den grossen urbanistischen Würfen, wie sie etwa in Berlin, London oder Paris zu sehen sind – und wovon wir mehr importieren sollten –, haben wir viel zu bieten im kleinen Massstab des Hauses. Seit der Tessiner Francesco Borromini als Baumeister im 17. Jahrhundert in Rom ein Dutzend Kirchen baute, zieht sich dieses Können am Objekt im Ausland durch bis zu Mario Botta, Herzog & de Meuron oder Gigon/Guyer von heute.

Der zweite Grund, warum Schweizer Architektinnen und Architekten im Ausland erfolgreich sind, ist ihr ausgeprägtes Gespür für Design – die Fähigkeit, einem Haus Gesicht und Form zu geben. Meisterhaft versteht sich darin der Haldensteiner Architekt Peter Zumthor. Sehen und erleben können wir das in seinem Museum Kolumba in Köln, wo die Schätze der katholischen Kirche geborgen sind. Zumthor hat auf den Ruinen eines von Bomben des 2. Weltkriegs zerstörten Gotteshauses ein Museum gebaut, das die Geschichte des Ortes ebenso widerspiegelt, wie es der weitatmigen Würde Gläubigen ein Symbol schenkt. Und vor allem ist es ein Museum, in dem die Kunst auf höchstem Niveau ausgestellt werden kann – das heisst in spannenden Raumfolgen und in Lichtfugen, die man in dieser Form nicht oft antrifft. Kurz – das exzellente Vermögen von Schweizer Architekten im Design des Hauses, in der Schaffung von Orten, oft verbunden mit hochstehenden Erwartungen an das handwerkliche Können der Bauleute, macht ihre Arbeit in der Fremde begehrt.

Ziehen wir die Linie von Borromini zu den Heutigen so sehen wir: Ihre Aufgabe im Ausland ist selten der Bau von Gebrauchsarchitektur, wie sie 95 Prozent des Baugeschehens ausmachen, sondern es sind Häuser nahe an Macht und Herrlichkeit, oft in hochkarätig besetzten Architekturwettbewerben gewonnen. Kirchen für katholische Fürsten; ein monumentales Stadion in Peking für die kommunistische Regierung Chinas; ein prachtvolles Musikhaus wie die Elbphilharmonie für das stolze Bürgertum von Hamburg; Rathäuser, Universitäten, Museen und Bibliotheken für republikanische Städte – sie alle brauchen den Glanz und die Strahlkraft, die die soliden Schweizer bieten können. Die Vertrautheit mit dem Exquisiten ist der dritte Grund für den Erfolg – ob repräsentablen Palast oder High-Tech-Werkzeug-Maschine – die Schweizer wissen offenbar, wie das geht.

Aber wenn Architektur das Los der Elenden in der Welt verbessern sollte, können sich diese selten auf die Phantasie und das Können der Architekten aus dem Land des Roten Kreuzes verlassen. Dennoch – ich lobe die Arbeiten der Städteplanerin Fabienne Hölzl, die mit ihrem Büro Fabulous Urban in Nigeria kluge Projekte in den Slums des Hautstadtmolochs Lagos realisiert oder Toni «El Suizo» Rüttimann aus Pontresina. Der Bauingenieur baut Hängebrücken für Fussgänger, Velo- und Töfffahrer in Lateinamerika und Asien. Sie entstehen aus wenigen Bestandteilen in einem von ihm entwickelten Baukasten. Als Material dienen ausgemusterte Röhren oder Seile, die die Bergbahnen nicht mehr brauchen. Zusammen mit ihm bauen die Einheimischen die Brücken selber. Toni «El Suizo» hat in 13 Ländern 780 Brücken für die Menschen, die weit draussen leben, realisiert. Sie finden so den Weg zu Spitälern, Schulen und Märkten. Sein Können ist denn auch der vierte Grund für den Erfolg Schweizer Baukultur in der Fremde: Ob Tunnel, Brücke oder Seilbahn, die Schweizer Ingenieure können so gut konstruieren wie die Nicht-Schweizer.

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