Eine Wunde in der Juralandschaft, damit aus dem Kalkstein Zement werden konnte. Und dann wird sie gefüllt mit Aushub zB. aus dem Gubristtunnel.

Postkarte Nr.22 Im Zementland

Zement ermöglicht kühne Konstruktionen, seine Fabrikation stösst viel CO2 aus und der Abbau seiner Rohstoffe schlägt tiefe Wunden in die Wälder und Wiesen des Jura. Doch die Bevölkerung wehrt sich.

 

Die Gisliflue ist ein Postkartenberg erster Ordnung. Von oben sieht man nach überall und von überall sieht man sie. Sanfte weite Landschaften – wir sind im Jura; lange Wege ohne einen Brunnen – wir sind im Kalkland. Das wussten auch die Zementpioniere und bauten vor 150 Jahren ihre Fabriken in Holderbank, Aarau und Wildegg. Dort faucht, rumort und lärmt heute noch Jura Cement. Auf einem Turm flattert eine Schweizerfahne, die Firma aber gehört einem irischen Baustoffmulti. Hier geschieht dreifacher Kreislauf. 

Der erste: Architektinnen, Ingenieure und Baumeister brauchen den Zement aus dem Jura, um Häuser aufzubauen; in den Jurahügeln wird er dafür abgebaut – die Wunden in der Landschaft sind gigantisch. 700 m x 500 m breit und 100 m tief brechen Mineure und Traktoristen Kalkstein aus dem Berg. Und berghoch werden dafür die betonierten Brücken und Hochhäuser anderswo. Die eindrückliche Veränderung der Landschaft zeigt eine Zeitreise auf der Landkarte.

Der zweite Kreislauf: Lastwagen fahren den mit viel CO2 Ausstoss gewonnen Zement im Land herum; andere Lastwagen – teils bis zu 50 Vierachser pro Tag – karren Aushub herbei. So liegt zum Beispiel der Gubrist, ein Hügel bei Zürich, der ein Tunnelloch erhalten hat, nun im Jura hinter Wildegg und füllt die Löcher auf. 

Und der dritte Kreislauf: Die über Millionen Jahre gewachsene Landschaft mit ihren Steinen, Pflanzen und Tieren wird vernichtet; kundige Landschaftsarchitekten bauen in die Wunden ihre zeitgenössischen Naturlandschaften – durch und durch künstlich. 

Nun will Jura Cement auch die Gisliflue verzementen. Doch ein Teil der einheimischen Bevölkerung wehrt sich in der IG Gisliflue gegen die Auflösung des Berges, der Sitz der Aargauer Königin werden könnte. Hätte sie hier oben ihr Schloss, könnte sie am Morgen auf den Balkon treten und ihren Untertanen zuwinken. Sie sähe alle und wäre glücklich, dass sie gesund, gschaffig und munter sind.

 

 

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