Sit-in vor dem Formel-1-Rennstall mit Kehrichtverbrennung im Hintergrund.

Postkarte Nr.15 Beim Mausoleum der Waren

Nach langen Tagen in der Schönschweiz sind Klimaspuren in der Gebrauchsschweiz gelandet. Hightech-Fabriken, ein Schlachthof, ein Formel-1-Rennstall und eine Kehrichtverbrennung. Gruss aus Hinwil.

 

Klimawanderinnen ruhen sich im Schatten eines gesichtslosen Klotzes am Ende des Gewerbegebietes von Hinwil aus. Hier baut die Autofabrik Sauber die Rennwagen für das Formel-1-Geschäft zusammen, hier entwickeln Heerscharen exzellenter Ingenieure und Wissenschaftlerinnen am Computer und in einem Windkanal Maschinen, die der Klimakrise ins Gesicht lachen. Auf dem Platz wird eine kurze Protestnote vorgetragen, die aber keinen Menschen ausser uns interessiert. Eifrig Aus- und Eintretende schauen die von der heissen Sonne ermatteten Wanderinnen verdutzt und erstaunt an, steigen in schnelle Autos oder auf Rennvelos. Ein altgedienter Aktivist seufzt: «Wie könnte doch dieses ausserordentlich exzellente Wissen für die Klimavernunft geraucht, anstatt im Motorsport vergeudet zu werden.»

Nach Tagen im Hügelland des Appenzell, im verträumten Tannzapfenland und in der Idylle der Zürcher Berge, ist Klimaspuren in der Gebrauchsschweiz unterwegs. Harte heisse Wege kochen die Körper auf, ungeduldige Automobilisten fahren die Wanderinnen fast über den Haufen. Neben dem Formel-1-Rennstall gibt es eine Fabrik für raffinierte Motörchen, die Fenster öffnen und schliessen und uns so von der Verantwortung fürs Hausklima entwöhnen; unweit davon einen Schlachthof für Rinder, Schweine und Schafe; Lastwagenzüge bringen die Tiere her und schaffen das Fleisch fort. Und im Ensemble strahlt das Symbol der Konsumgesellschaft schlechthin - eine Kehrichtverbrennung. In dieser mächtigen Burg mit einer künstlerisch dekorierten, rosa Fassade werden 160 000 Tonnen Abfall, 23 000 Tonnen Sondermüll und 2500 Tonnen Klärschlamm verbrannt. Matthias Geller, der sich als Raumplaner mit solchen Fabriken und vor allem mit den daraus weichenden Energieströmen befasst, erklärt uns wie die Kehrichtwerker nach den Regeln der Kunst des «Urban Mining» den Abfall zerlegen, so alle möglichen Metalle gewinnen und eben den Rest verwandeln in Strom und Wärme. Der engagierte und kenntnisreiche Ökologe versucht uns, den klimavernünftigen Sinn dieser Riesenanlage beizubringen – die Klimawanderinnen bleiben skeptisch – es ist doch vorab unbedingt nötig, die Abfallmenge und damit den Konsum dramatisch zu reduzieren. Auch wenn die 160’000 Tonnen seit Jahren offenbar konstant bleiben – es wird viel zu viel Bau-, Industrie- und Alltagsabfall fabriziert.

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