Jakob reiste mit dem Film «Bagdad in my shadow» in die Weltgesellschaft.

Mit Samirs Film in die Weltgesellschaft

Samirs Film «Bagdad in my Shadow» fügt gekonnt Räume ineinander, die die Filmgeschichte universal gültig gestaltet hat. Für kurze Zeit werden alle im Kino Teil der Weltgesellschaft.

 

 

Neulich war ich im Kino Kosmos in Zürich und sah den Film «Bagdad in my shadow», den Samir, der Regisseur aus Zürich, gemacht hat. Mein Besuch lohnte sich, denn mir war kurzweilig, und ich sah gerne zu wie Samir die Räume, die im Laufe der Filmgeschichte universal gültig geworden sind, gekonnt gestaltet hat.

Das Personal

Der Film spielt in London, wohin die Architektin Amal vor ihrem Ex-Mann aus dem Irak geflohen ist. Sie arbeitet im Café Abu Nawas. Dort treffen sich die Iraker, die im Exil leben; nirgends so viele wie in London. Eine Grüppchen um Amal führt das Drama auf: dazu gehören Taufiq, der melancholische, kommunistische Dichter, Muhamad, der schwule, lustige Informatiker, Nasseer, der schwermütige Junge, der ein Gotteskämpfer wird, Yassin, der islamistische Missionar, und Amals Ex-Mann, ein Scherge aus Saddam Husseins Regime, nun Kulturattaché.

Die Geschichte

Die Spirale des Bösen gegen das Gute dreht sich, der Prediger und der Kulturattache hetzen den Jüngling auf, der zieht los gegen die Gottlosen im Kaffeehaus, die schwul oder kommunistisch und lebensfroh sind. Es kracht, es brennt, es ist turbulent und am Schluss verlieren das Böse und die Bösen. Dazwischen gibt es Familien- und Liebensgeschichten und auch einen Besuch in einer Ausstellung über Zaha Hadid, auch sie eine Irakerin im Exil.

Die Räume

Mir hat gefallen, wie Samir diesen Film so eingerichtet hat, dass von Bagdad über Kairo, London bis zu mir, viele Menschen seine Geschichte verstehen und auch mögen werden, auch wenn wir sie nicht gleich deuten. Das hat mit den Räumen zu tun, in denen Samir, sein Drama aufführt. Es sind Standards, die im Laufe der Filmgeschichte universal gültig geworden sind, und die der Regisseur phantasievoll einrichtet und aneinander reiht

Erstens. Die grosse Totale aus der Luft auf die Stadt oder eine Szenerie ist das Sehnsuchtsbild par exellance. So breitet Samir den Hoffnungshorizont der Geschichte über Bagdad aus. Ich mochte solche Filmräume schon als als Bub, wenn Franz Schnyder in der Totalen das Emmental zeigte und Uli, den Pächter und ds Vreneli über den Horizont jagte, unterlegt von zehn Geigen. Und ich mag das in den grossen Western, wo die Siedler ins Endlose ziehen. Oder, wenn Kurozawa in seinen mir völlig fremden japanischen Filmen, die Moral seiner Geschichte erzählte, so zog er gerne mit der Kamera in die Höhe und filmte das grosse Totale als Raum, den offenbar die Japanerinnen und ich mit ähnlichen Hoffnungen füllen.

Zweitens. Die Kammer der Not, in der der Dichter bei der Polizei und dem Geheimdienst sitzen muss, weil er den Schergen von Saddam erstochen hat. Das ist der Ort für der Bedrückung und Hochspannuung ohne Action. Das eindrückliche Können des Schauspielers Haytham Abdulrazaq, der Taufiq, den Dichter, so beklemmend nah spielt, dass die Art, wie er die Kaumuskeln bewegt, mir den Schauer über den Rücken fahren liess. Josef von Sternbergs enge Räume haben für Marlene Dietrich die grosse Bühne gerüstet, so dass sie mir schon früh einen Schrecken eingejagt hat; Ingmar Bergmann war wohl der Meister der beklemmenden Räume, er hat sie zur universal gültigen Filmformel gemacht. Samir liefert dazu schöne Etüden, die wohl weltweit alle seine Zuschauerinnen ähnlich lesen.

Drittens. Die Kammer der vertrauten Familie ist das Restaurant, wo Samir viel Lebensschönheit inszeniert vom Essen und Trinken über die Dichterlesung bis zum Gmeinwärch nach dem Brandanschlag. Das ist einer populärsten Räume der Filmgeschichte - Woody Allens Filme spielen fast nur mit und in ihnen, Alfred Hitchcocks beste Filme spielen in solchen Räumen, die unvermittelt von der Gemütlichkeit in den Schrecken kippen können. Samir kennt diese universal lesbare Chiffre der immer gefährdeten Geborgenheit und fügt sie schön in seinen Film.

Und viertens der dunkle Wald in der Nacht. Meine Filmgedächtnis holte natürlich Gary Grant hervor, wie er vor gut sechzig Jahren durch High Noon schritt und er holte mir Henry Fonda und Charles Bronson in die Erinnerung, die in der sengenden Hitze bei der Wüstenkapelle von „Spiel mir das Lied vom Tod“ in einem Raum Spannung auf Leben und Tod aufführen. Auch dieser Raum des letzten Duells ist ein mittlerweile gewiss universal lesbarer Raum. Mit Licht und Schatten gibt Samir ihm den nötigen Schreck.

Kurz - Räume sind in der Filmgeschichte ebenso erprobt und standardisiert wie dramaturgische Berg- und Talfahrten und Kameraeinstellungen. Wie elegant Samir mit Räumen und Raumfolgen die universale Filmsprache zu sprechen versteht, ist eindrücklich und offenbar erfolgreich - von Badgad bis London von Kairo bis Amerika schauen die Menschen seiner Geschichte zu. In leichtfüssiger Art ist ihm ein Film gelungen, der anderes als lehmschwere und raumlahme Schweizerfilme die Weltsprache der Räume reden kann. Und der mich für zwei Stunden Teil der Weltgesellschaft sein liess.

Und überdies – ich gehöre zu denen – und wir sind viele auf der Welt – die im Kino gerne Happyends haben. Immerhin darf ich hoffen, dass die schöne Amal, niedergestochen vom islamistischen Jüngling, überleben wird. Gleichzeitig aber hat Samir mir versichert hat, dass ihr übler Ex seinen gehörigen Lohn empfangen hat - tot mit Dolch im Gedärm. Wenn das Gute allenfalls trotz meiner Hoffnung nicht gesiegt haben sollte – das Böse ist tot.

 

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