Köbi Gantenbein. Fotos: Ralph Feiner

Leise Melancholie, rauhe Alpenlandschaft

Der nicht mehr gebrauchte Stall, Heidiland, Strassenbau, Alpkäserei und Kapelle – eine Spurensuche in den Alpen für ein Symposium zur Landschaftsmalerei im Kunstmuseum von Chur.

Stall auf Tresch ###Media_2###1727 bauten die Bauern-Zimmerleute den Stall auf Tresch in Sumvitg. Eine Konstruktion ohne einen Nagel. In dieser Kathedrale der Kuh hatten achtzig Tiere Platz. Das Dach wurde morsch, die Steine, die die Schindeln auf dem Dach gehalten hatten, fielen aufs Tenn. Die Ruine musste schliesslich vor neun Jahren einer Meliorationsstrasse weichen. Mit dem Stall auf Tresch verschwindet Architektur, und mit ihr verschwindet die Landschaft, deren Nutzung den Stall platziert und geformt hat. Das Gebüsch und der Wald wachsen; der Luchs, der Wolf und der Bär kommen. Und wo die Bauern bleiben, wird die Landschaft zu einer Monokultur aus fetten Wiesen, breiten Meliorationsstrassen und grossen Ställen. Mit Monokultur und Verwilderung geht ein Schatz an Wissen und Können verloren, den über viertausend Jahre alte Erfahrungen aufgehäuft haben. Diese Tradition lehrte die Menschen in den klimatischen, topografischen und ökologisch besonderen Verhältnissen der Alpen, was sie gegen die Kälte, die Trockenheit, das Hochwasser und die Lawinen anstellen können, wie die Steilheit nutzen, die Wege über Stock und Stein angenehm anlegen und auch, was mit dem Wolf zu tun ist. Mich fasziniert solche Tradition stärker als vor dreissig Jahren, denn sie birgt viel Methodenwissen, das weit über die Alpen und den Bauernberuf hinaus nützlich wäre sie für eine gute Wirtschafts- und Lebensform. Mich interessiert solche Tradition, weil ich Zeitzeuge bin, wie Kapital, Spekulation und von ihnen dirigierte Technik ein Desaster ums andere anrichten. Und mich interessiert solche Tradition auch, weil sie immer wieder angemessene Erfindung und Erneuerung war, die das Leben der Menschen erleichtert hat. Landschaft braucht die Freude der Erfinder, die Luft der Welt, sonst erstickt sie. Kurz – meine langjährige Beschäftigung mit Landschaft zeigt mir: Jakobli, der Du den Fortschritt gern h...
Leise Melancholie, rauhe Alpenlandschaft

Der nicht mehr gebrauchte Stall, Heidiland, Strassenbau, Alpkäserei und Kapelle – eine Spurensuche in den Alpen für ein Symposium zur Landschaftsmalerei im Kunstmuseum von Chur.

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