Jakob, gescheiterter Juuzer, beglückter Hörer

In der Juuz-Schule

Kein Theater, kein Konzert, kein Kino. Dafür lange Abende zu Hause. Man gräbt Projekte aus. Endlich Juuzen lernen. Eine uralte Kulturtechnik und eine Etüde im zeitgenössischen Design des Ortes und der Zeit.

Ich habe eine gescheiterte Vorbildung im Juuzen: Als man das noch durfte, fuhr ich mitten in einer Gruppe von Appenzellern im Postauto über die Schwägalp. Sie begannen zu zäuerlen. Das ist ein Singsang ohne Worte, mit Rufen, Glucksen, Gemurmel, Gebrumm und Holeien. «Nömm dä uni duri», raunte einer neben mir, und ich setzte an. Aber flott ging das gar nicht, die Appenzeller sagten zwar nichts, aber sie schauten schräg unter ihren tellerartigen Hüten hervor. Und ich schwieg. Freie Abende Bis in diese Tage, wo ich mit einem Schlag von Hundert auf Null gesetzt worden bin: Kein Theater, kein Kino, keine Barkante, keine gastliche Runde, keine Proben mit dem Orchester, keine Auftritte. Dafür viele einsame – freie – Abende. Und so nahm ich die appenzellische Niederlage auf und sagte mir: «Du sollst die Kunst des Juuzens lernen». Nicht zuletzt um eine rhetorische Figur zu verbessern, die ich ab und zu brauche – ich singe ab und zu Vorträge, Vernissagereden für zeitgenössische Künstlerinnen zum Beispiel, in der Form des «Sarganserländer Alpsegens». Mit Augustinus’ Segen Beflügelt hat mich aber auch der kulturgeschichtliche Adel meines Willens. Der erste Theoretiker des Juuzens, Zäuerlens und Jodelns ist der Heilige Augustinus. Er lebte von 354 bis 430 in Nordafrika. Er war Bischof, Philosoph, Mitbegründer des Mittelalters. Seine «Confessiones» sind eines der zehn wichtigen Bücher der Weltliteratur. Sie haben die Christenheit grad so geprägt wie die Bibel dies konnte. Augustinus war auch Musikschriftsteller. Takt, Pause und Synkope – dem Rhythmus hat er als wohl erster ein Buch gewidmet. Und so erstaunt es nicht, dass sich der Weltgelehrte auch mit dem Jodeln befasst hat. Die Jubili der Choräle seien «wortloses Rufen, Schreien oder Singen; Freude strömt aus, die so gross ist, dass sie alle Worte zerbricht.» Home Schooling Solche Freude wollte ...
In der Juuz-Schule

Kein Theater, kein Konzert, kein Kino. Dafür lange Abende zu Hause. Man gräbt Projekte aus. Endlich Juuzen lernen. Eine uralte Kulturtechnik und eine Etüde im zeitgenössischen Design des Ortes und der Zeit.

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