Jakob I. (1896 – 1999) und Jakob III. rüsten sich für eine Fahrt ins Holz. Fotos: Hitsch Gantenbein

Eine Fahrt ins Holz

Für die 350 Zuhörerinnen und Zuhörer des Forums der Schreiner in Baden entfaltete Köbi Gantenbein eine kleine Soziologie des Handwerks und der Werkstatt in Wort und Gesang. Im Bild: Jakob I. (1896 – 1999) und Jakob III. rüsten sich für eine Fahrt ins Holz.

Für die 350 Zuhörer des Forums der Schreiner in Baden entfaltete Köbi Gantenbein eine kleine Soziologie des Handwerks und der Werkstatt in Wort und Gesang.Mein Grossvater hiess Jakob. Wie ich. Er kam 1896 im Prättigau zur Welt, wo er 103 Jahre lebte. 87 Jahre lang als Schreiner – drei davon als Lehrling, zehn als Arbeiter und 74 Jahre als Schreinermeister. Mein Grossvater hatte seine Bretter vor dem Dorf Jenaz auf einer Wiese mit Kirschenbäumen zur Trocknung gestapelt. Nach dem schwarzen Kaffee aus dem Emaille-Krug spazierte er mit mir zu den «Chriesböm». Ich rieche den Duft des gesägten, aufgerauten Fichten-, Kirschen- und Eichenholzes, das dort gestapelt war. Und ich sehe die Farbenspiele, langsam gegerbt vom Wind und der Sonne. Der Grossvater prüfte mit seiner Schreinerhand  – der kleine Finger der rechten Hand fehlte ganz, der Ringfinger zur Hälfte und der Zeigefinger hatte keine Kuppe – er strich mit der Schreinerhand über das Holz und ich tat es ihm mit meinem Händchen nach. Wenn er mir nicht zuschaute, leckte ich das Fichtenholz ab und kostete den Harz mit der Zunge. Es war ein anderes Schmecken als wenn ich die Stahlrohre des Geländers vor der Schreinerei mit der Zunge im Januar probierte und sie gefroren kleben blieb. Der kühle Beton, der heisse Teer, der knallharte Kevlar, das geruchlose Glas, die Mineralwerkstoffe, die die Schreinerzeitung neulich hat hochleben lassen und all die anderen, faszinierenden Materialien, die die Materialindustrie erfunden hat, können es mir nicht so wie das Holz. Zu ihm habe ich die sinnlich schönste Beziehung aufgebaut. Ich ging mit meinem Grossvater auf den Holzhandel. Wir Zwei fuhren nach Chur. Dort sassen wir in den «Stern». Das Täfer dessen Arvenstube hatte er geschreinert und im Gasthaus montiert. Seinerzeit, bevor ich sein Enkel war. So habe ich von meinem Grossvater früh gelernt, dass es Sitte und B...
Eine Fahrt ins Holz

Für die 350 Zuhörerinnen und Zuhörer des Forums der Schreiner in Baden entfaltete Köbi Gantenbein eine kleine Soziologie des Handwerks und der Werkstatt in Wort und Gesang. Im Bild: Jakob I. (1896 – 1999) und Jakob III. rüsten sich für eine Fahrt ins Holz.

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