Hochparterres Chefredaktor Köbi Gantenbein

Der Genickschlag fürs Alpine Museum

Das Bundesamt für Kultur (BAK) stösst das Alpine Museum in Bern in den Abgrund. Es ist fatal, mit Mathematik Kulturpolitik zu machen. Das Museum ist wichtig für die Schweiz, breiter Widerstand gegen den Entscheid ist nötig.




Das Bundesamt für Kultur (BAK) verkündete neulich, dass das Schweizerische Architekturmuseum (SAM) und das Sportmuseum in Basel keines und das Alpine Museum in Bern erheblich weniger Geld vom Bund erhalten werden. Damit werden drei Museen in ihrer Existenz bedroht. Jeder Fall liegt anders, unhaltbar aber ist, wie sich der Bund aus der Finanzierung des Alpinen Museums zurückzieht. Er hat es vor 80 Jahren mitbegründet, ist bis heute einer der vier Stifter, hat erst vor wenigen Jahren seinen Beitrag auf Beschluss des Parlamentes hin erhöht und reduziert ihn nun um 770 000 Franken.

Das Scheitern des Architekturmuseums
Der Grund – das BAK hat die Unterstützung der Museen in der Schweiz neu ausgerichtet. Es verteilt die insgesamt 5,9 Mio Franken auf Ausschreibung hin. Statt sieben erhalten neu 13 Museen Geld. Ein Kriterium für einen Zuschlag war: Wer Geld will, dessen Region und Kanton muss mittragen – ein sinnvolles Kriterium. Das Schweizerische Architekturmuseum ist unter anderem wohl daran gescheitert. Denn Stadt und Region Basel behandeln ihr Architekturmuseum stiefmütterlich. Es wird statt 300 000 Bundesfranken keinen mehr erhalten.

Das Alpine Museum in Bern aber hat den von der neuen Museumspolitik geforderten regionalen und kantonalen Halt eindrücklich – Stadt, Burgergemeinde Bern und Kanton tragen 2017 871 000 Franken bei. Der SAC zudem 200 000 Franken. Dazu kommen – notabene – 46 Prozent des Budgets von 3,4 Mio. Franken aus Eintritten und anderen Einkünften.

Der Genickschlag
Das BAK aber hat nun seinen Beitrag von 1 020 000 auf 250 000 Franken reduziert – ein Genickschlag. Denn mit einer derart substanziellen Kürzung lässt sich das Museum nicht mehr in der Güte machen, für die es bekannt ist und für die öffentliche Gelder gerechtfertigt sind. Einfach ein paar Alpenpanoramen aufhängen und einen Gletscherpickel samt Alphorn dazuzustellen statt Ausstellungen von Gewicht, Schönheit und Relevanz zu machen, ist sinnlos.

Der Genickschlag ist paradox – kein inhaltlicher Entscheid, keine kulturpolitische Weiche, sondern ein neues Meccano wird das Museum strangulieren. Es geht so: Zahlen Gemeinde und Kanton mindestens 250 000 Franken ans Budget und beschliesst das BAK mitzutragen, so gibt es einen «Sockelbeitrag» von 100 000 Franken und darauf Geld von 5 bis 7 Prozent des Gesamtbudgets, je nach dem, wie ein Expertengremium das Museum, seine Sammlung, sein Renommé, seine Vermittlungsarbeit, beurteilt. Dem Alpinen Museum gaben die Experten den Zuschlag von 5 Prozent, was die 150 000.- zum in Aussicht gestellten Betrag ausmacht. Die Begründung der Jury ist nicht öffentlich – sie wird wohl die Sammlung des Museums nicht mit der maximalen Punktezahl versehen haben. Doch auch der maximal mögliche Beitrag von 310 000 Franken aus Sockel und Güteprämie würde das Alpine Museum nicht trösten können – gut 700 000 Franken fehlten weiterhin.

Seltsame Idée Suisse
35 Häuser haben sich um Bundesgeld beworben. 13 haben die Selektion überstanden und erhalten mindestens 250 000 Franken im Jahr – ist ein Museum so gross wie das Verkehrshaus, gibt ihm die Rechenkunst 1,56 Mio. Dieses neue Meccano mag alle der 13 Häuser gleich behandeln, es erfreut aber nur die, die glauben, man könne Kulturpolitik mit dem Rechenschieber machen, anstatt Geschichte, Bedarf, Thema, Güte und Zuversicht eines Hauses zu wägen. Und, schauen wir auf die Liste der neu Begünstigten bleibt – Idée Suisse in allen Ehren – zu fragen: Ist es sinnvoll, das Alpine Museum zu stürzen auf Kosten von fünf aus der Romandie und dem Tessin neu auf die Liste gesprungenen Museen, von denen sich eines in Romont und eines in Genf mit der gewiss hochwohllöblichen Glaskunst befassen? Ist es sinnvoll, Häuser, deren Finanzierung bis heute leidlich funktioniert, mit einem Zustupf aus der Bundeskasse zu versehen, wenn dafür ein Haus in den Abgrund gestossen wird? Es ist absurd – zumal der Stoss ins Verderben nicht inhaltlich begründet, sondern einer seltsamen Kulturmathematik geschuldet ist. Sie wurde zudem erst im Laufe der Ausschreibung erfunden und stand nicht von Anfang an fest. «Entfremdeter Zahlenstalinismus» sagt dem der österreichische Fotograf Lois Hechenblaikner in seinem Protestbrief.

Das Kind in der Kühltruhe
Das Alpine Museum wird seit 80 Jahren von einer Stiftung aus Kanton und Stadt Bern, dem SAC und dem Bund getragen – das Haus ist mit viel kulturellem und materiellem Volksvermögen aufgebaut worden. Vor wenigen Jahren haben Bundesrat und Parlament den Beitrag ans Alpine Museum markant aufgestockt, mit dem Auftrag, es möge sich neu erfinden. Ihm nun mit einer neuen Subventionsmechanik die Luft abzudrehen, geht nicht. So wird eine kulturelle und materielle öffentliche Investition verbrannt. Benno Widmer, Leiter der Sektion Museen und Sammlungen im BAK, spricht in der «Berner Zeitung», es gebe keinen Subventionsanspruch, der auf alle Ewigkeit gefestigt sei. Wohlan  – aber der Bund gibt dem Alpinen Museum nicht einfach gütig milde Gaben als Zubrot. Er ist sein Mitstifter, und das heisst auch sein Mitträger seit acht Jahrzehnten. Das eigene Kind in die Kühltruhe zu sperren, widerspricht Sitten und Bräuchen.

Breiter Widerstand
Nicht grundlos ist der Widerstand gegen Entscheid und Verfahren des BAK laut vom Berner Stadtpräsident von Graffenried bis zu Hans Ulrich Glarner, dem Leiter des kantonalen Amtes für Kultur. Von Jon Mathieu, dem Professor für die Geschichte der Alpen, über den Klimaforscher Thomas Stocker bis zu Raimund Rodewald, dem Geschäftsführer der Stiftung für Landschaftsschutz. Von Nationalräten über Bergsteigerinnen bis zu Bergblumenfreunden. Von Bernern, Schweizerinnen und Ausländern – alle, auch Hochparterres Chefredaktor, wollen und werden den Sturz dieses Museums nicht einfach hinnehmen.

Das ist zu tun
Damit das Alpine Museum nicht untergeht, braucht es einen breit aufgestellten Einsatz. Der Bund, sein BAK, muss mitarbeiten an einem Ausweg. Es braucht eine eidgenössische Sonderfinanzierung bis zur nächsten Kulturbotschaft, in der dann Institute wie dieses Haus ihren Platz erhalten müssen

Die Tourismuswirtschaft soll das Alpine Museum als ihren Think Tank erkennen und die Trommel dafür rühren. Denn wo, wenn nicht in Bern werden Themen aufgespürt, erforscht und populär dargestellt, die Zukünfte für den Fremdenvekehr zeigen? Kurdirektoren, Hoteliers und Bergbähnlerinnen – macht politischen Druck, und zahlt künftig ein viertel Promille pro Logiernacht und ein zehntel Promille pro Bergbahnfahrt in die Kasse des Alpinen Museum ein.

Alpenkantone – eure Regierungen und Bundesparlamentarier – steht auf die hinteren Beine. Geht das Alpine Museum unter, verliert ihr ein Schaufenster in der Hauptstadt, das über diese hinaus leuchtet. Gut, wenn ihr die Finanzierung künftig mitbeiträgt, besser, wenn ihr auf den Bund Druck macht, seine Verantwortung für das Alpine Museum weiter wahrzunehmen. Mit Lust, nicht mit Finanzakrobatik.

Das Alpine Museum ist für die Zuversicht der Schweiz wichtig, nötig und anregend – es darf nicht ohne Not zusammenkrachen, weil ein Finanzmeccano inhaltlichen Diskurs kalt stellt und eine lange, erfolgreiche Geschichte mit einem Dreisatz beendet wird.

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Kommentare

Michael Guggenheimer 26.07.2017 17:12
Das Alpine Museum hat sich in den letzten Jahren von einer Art Vitrinen-Heimatmuseum zu einem Ort der lebendigen Auseianndersetzung mit der Alpenlandschaft und den Einflüssen auf die Alpen und deren Auswirkungen entwickelt. Die Alpen sind für die Schweiz prägend, sowohl in der Geschichte als auch in der Gegenwart. Wo wenn nicht hier lsollen sich Debatten geführt werden, die sich in Ausstellungen visuell und erlebnishaft führen lassen. Der Entscheid des BAK ist nicht nachvollziehbar.
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