Betulich, naiv und politisch falsch
Die Planerverbände lehnen mit harschen Worten die Zersiedelungsinitiative ab. Die Argumente sind inhaltlich dünn, teils falsch und die «einhellige Ablehnung» ist ein politischer Fehler.
«Gute Absicht – falscher Weg», so der Titel der «einhelligen Ablehnung» der Zersiedelungsinitiative durch die Funktionäre von SIA, FSU, BSLA und BSA. In betulich patriarchalischer Manier putzen sie mit einer «Medieninformation» die Initiantinnen und Initianten ab: Wir teilen Euer Grundanliegen, aber ihr seid auf dem Holzweg. Nach der betulichen Einleitung probieren die Funktionäre drei Argumente.
Nützt nichts für Innenentwicklung?
Im ersten Jammer belehren sie die Initiative, dass die Weichen für die Innenentwicklung doch gut gestellt seinen und die Umsetzung der Anliegen der ersten Revisionsetappe des Raumentwicklungs-Gesetzes (RPG 1) nun Zeit und Kraft der Kantone, Gemeinden und Planer brauche. Der Grundsatz sei «breit verankert und anerkannt». Die Initiative komme zu einem «sehr ungünstigen Zeitpunkt». Ach je, die Planer und Architektinnen, die noch immer davon ausgehen, sie könnten die Agenda setzen! Wisst ihr denn nicht, dass der Bundesrat in taktischer Manier Termine festlegt?
Staatsrechtlich will ich die staatstragenden Verbände aber dran erinnern, dass es zwischen Gesetz und Verfassungstext einen substanziellen Unterschied gibt. Wir erleben bei anderen Planungsgesetzen – Natur-und Heimatschutz, Zweitwohnung – wie gross der Druck ist, die «breite Anerkennung» zu lockern. Wir werden es bei RPG 2 nahe erleben. Der Ankerplatz aber ist die Verfassung, nicht ein Gesetz. Anders herum: Wer die Zersiedlungsinitiative annimmt, der gibt der Verdichtung nach Innen Schub. Er kann sich sogar daran freuen, dass mit der Verdichtung auch «hohe Lebensqualität» gefordert wird. Die Initiative bereitet den inhaltlich phantasievollen Planerinnen die Bahn und bremst die Verdichtungstechnokraten aus.
Nicht praktikabel?
Die Funktionäre jammern zweitens: «Nicht praktikabel». Die Initiative sagt: «Fertig einzonen. Baut auf dem Boden, der eingezont ist. Und wenn das dort ist, wo ihr es nicht brauchen wollt, so tauscht Boden um. Die Initiative macht im Grossen das, was meine Gemeinde Fläsch im Kleinen tat. Bauzonen an den Ort legen, wo sie Sinn und Freude machen, Substanz und Bild des Dorfes stärkend – Fläsch erhielt dafür 2010 den Wakkerpreis des Heimatschutzes. Anderthalb mal die Fläche des Kantons Schaffhausen ist eingezontes Land. Darauf kann die Schweizer Zukunft prächtig gedeihen. Die Initiative regt an, diesen Bestand, wenn nötig, umzulagern. Dass sie dabei die Kantons- und Gemeindegrenzen nicht zu Heiligtümern erklärt, ist erfrischend und nahe an der Realität. Sogar die Planerverbände jubilieren in Zukunftspapieren, dass «funktionale Räume» zu schaffen seien statt der Kantonsgrenzen der Schweiz von 1848. Geht es um die Wurst, so sagen sie «nicht praktikabel».
Das ist ein Armutszeugnis. Ein Teil ihrer Mitglieder sind Ingenieure. Deren Daseinsgrund ist «praktikabel» zu sein – also mit Erfinderlust und Phantasie einen Weg zu finden gegen alle Besserwisser, die schon immer gewusst haben, «dass es nicht geht». Dann möge man ehrlich sein und sagen: «Wir wollen das nicht.»
Im zweiten Jammerseufzer verknüpfen die Funktionäre «nicht praktikabel» auch mit «Verteuerung von dringend benötigtem Wohnraum». Das ist ein bewährtes Motiv aus der Kiste der Vulgärökonomen. Benedikt Loderer hat zusammengefasst, wie die Ökonomie der Zersiedelung geht: «Das Land ist so teuer, wie es die Zahlungsbereitschaft der Käufer oder Mieter zulässt. In den letzten Jahrzehnten sind die Anteile der Haushalte fürs Wohnen stabil bei 30 Prozent verharrt. Teurer ist’s geworden, weil mehr Geld da war. Das Land ist so teuer, wie Geld dafür vorhanden ist. Richtig ist aber, dass Grundstücke weit draussen und darum günstig, nach dem 10. Februar nicht mehr durch Einzonung geschaffen werden können. Was ja nur heisst: Das Land wird nicht mehr vergeudet. Was billig ist, hat keinen Wert, genauer wird nicht voll genutzt.» Tatsache bleibt überdies: Die Mieten steigen nicht, denn es gibt genug Platz in den heutigen Bauzonen.»
Nichts gegen Bauen ausserhalb der Bauzone?
Die Planerverbände jammern im dritten Argument, dass die Zersiedelungsinitiative nicht wisse, wo zersiedelt werde: Ausserhalb der Bauzone. Dazu sei sie «zu wenig griffig». Es kann sein, dass die Funktionäre und ich nicht denselben Initiativtext gelesen haben. Denn die Vorschläge der Initiative wollen dem Übel ans Leder. Sie öffnen aber auch wichtigen Spielraum – die Landwirtschaftszone ist die Bauzone der Bauern. Eine bodenabhängige, standortgebundene Landwirtschaft soll dort aber gediehen. Das heisst zum Beispiel, dass Tierfabriken für 20 000 Poulets jeden Monat mit Anlagen, die viel Land ausserhalb der Bauzone verlangen, mit ihren riesigen Normställen, den Silos, den Zufahrtwegen, per Verfassung nicht mehr möglich sind. Nebst dem landschafts- ist das überdies ein hochrangig tierschützerisches Anliegen.
So ist das dritte Doppeljammern schlicht falsch. Es wird gekrönt vom Glauben, dass RPG2, das Bauen ausserhalb der Bauzone besser regeln werde. Das ist naiv, wenn nicht blind: Die Vorlage des Bundesrates für RPG 2 ist schmalbrüstig und wird das Bauen ausserhalb der Bauzone eher fördern als bremsen. Und es wird ein heiteres Vergnügen sein zu erleben, mit welcher Wucht die bürgerlichen Politikerinnen und Politiker im Bundesparlament das Bauen ausserhalb der Bauzone erleichtern werden vom Öffnen der Maiensässe für Ferienfreude bis zur Umnutzung von Bauernhöfen im Mittel- und Hügelland.
Politisch falsch
Kurz und gut – die «einhellige Ablehnung» ist inhaltlich medioker, ideologisch vernagelt und entbehrt teils der Grundlagen. Ihre Rhetorik trägt auch den Klang der Beleidigten. Die Planerfunktionäre scheinen sich schwer damit zu tun, dass die «Jungen Grünen» im Planer-Gärtchen grasen und ihnen den Schneid abgekauft haben mit frischen, forschen und griffigen Ideen.
Und die harsche Ablehnung ist auch politisch falsch. Wir wissen alle, welche Hürden eine Initiative in einer Volksabstimmung zu nehmen hat. Und darum ist es nötig – gerade mit Blick auf RPG 2 – alles zu tun, damit die Zustimmung nahe bei 50 Prozent ist.