Mit der Nr.519 schliesst Jakob seine journalistische Arbeit ab. Er hat sich pensioniert.

Adieu Hochparterre

Jakob pensioniert sich als langjähriger Chefredaktor und Verleger von Hochparterre. Seine Aktienmehrheit kommt in eine Stiftung. Ein Ausblick in seine und in die Firmenzukunft in seiner letzten ‹Jakobsnotiz›.

«Vieles geschrieben

Wenig verschwiegen

Alles entschieden

 

Heiter bin ich

Geh zur Ruh

Tu die Griffelschachtel zu

 

Und so schwenk ich meinen Hut

Das war's

Adieu, auf Wiedersehn»

 

Das war meine letzte Rede als Präsident des Verwaltungsrates anlässlich der 30. Generalversammlung der Hochparterre AG. Denn ich habe beschlossen, mich am 31. Mai 2022 zu pensionieren; ich verlasse Hochparterre nach 34 Jahren. Ich bin kein Chefredakter, kein Verleger, kein Mehrheitsaktionär, kein Unternehmer und kein Verwaltungsrat mehr.

Neulich unterschrieb ich die Verträge, die Hochparterre aus meinen Händen nehmen. Meine Aktienmehrheit kommt in eine Stiftung. Sie wird liberté, égalité et solidarité hüten – die Werte, die Benedikt Loderer und ich mit den Hochparterris während dreier Jahrzehnte gelebt haben. Die Stiftung «Mezzanin» sorgt als Ankeraktionärin mit 51 Prozent auch dafür, dass Hochparterre wirtschaftlich stabil bleibt. Die restlichen Aktien gehören mit höchstens je fünf Prozent 18 Hochparterris. Die Stiftung wird kontrolliert von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das gewährleistet langfristig kollektives Eigentum.

34 Jahre lang haben Benedikt Loderer und ich und dann die letzten 12 Jahre ich allein mit personaler Autorität Hochparterre geprägt. Nun gibt es einen Bruch. Gut so – künftig wird institutionelle Autorität die Firma zusammenhalten. Die Hochparterris und ich haben sie gut geformt mit der Stiftung als Mehrheitsaktionärin, den 18 Aktionärinnen, dem Verwaltungsrat, der Geschäftsleitung und der Betriebsversammlung. Auch künftig trägt guter Journalismus, von dem die Hochparterris schön und gut leben können, Institution und Leute. Mich freut, in welch gutem inhaltlichem, wirtschaftlichem und sozialem Zustand ich Hochparterre am 1. Juni 2022 weitergebe.

Ich danke allen für das, was sie mir zu gut und zu lieb getan haben – es hat immer auch Hochparterre gestützt, gestärkt und erfreut. Ich danke für die vielen Geschäfte, die mir geraten sind – sie haben Hochparterre genährt. Ich danke für die vielen Reportagen, Kommentare, Capricci, Themenhefte und Bücher, die ich geschrieben habe – sie sind mein Daseinsgrund. Mit der «Jakobsnotiz» Nr. 519 schliesse ich nun meine journalistische Arbeit ab – Ausnahmen werde ich mir ab und zu wohl gönnen. Diese Kolumne, zuerst über viele Jahre im Heft, dann auf hochparterre.ch erschienen, war einer meiner Lieblingsschreibplätze – die Mischung aus politischem Kommentar, Recherche und Sprachspiel hat meinen Charakter geformt. Mit ihm habe ich Hochparterre über drei Jahrzehnte inhaltlich mitgeprägt.

Auch meine Pflichten und Freuden in der Leitung anderer Firmen, Vereine und Gruppen habe ich im Laufe des letzten Jahres alle verlassen, ausser dass ich Präsident der Bündner Kulturkommission bleibe und helfe, den Bündner Literaturpreis aufzubauen

 «Jakob-geh-Du-voran» ist der Beruf, den ich am besten konnte und am liebsten tat, nun bin ich mir selber gut genug – cultiver son jardin. Ich liebe mein Haus und meinen Garten in Fläsch, und werde mit dessen begabter Gärtnerin Luci, welche seit 38 Jahren meine Frau ist, Pflanzen, Schmetterlinge und Vögel pflegen und mit Luci lustvoll wie bisher und noch mehr das Leben, die Liebe und die Freundschaft feiern.

Musik wird mehr Platz im Leben haben. Für mich als Musikant – üben, üben, üben mit der Klarinette. Zurzeit den Schottisch «Malojawind» mit den atemraubenden Läufen. Zeit werde ich auch haben für meine Freude an der grossen Musik von Johann Sebastian Bach. Und über Musik werde ich wieder schreiben – ich begann als Bub meinen journalistischen Lebensfaden 1971 mit Feuilletons über Rock&Pop – ich schreibe künftig als Korrespondent für Volksmusik in der formidablen elektrischen Zeitung «Frida».

Freilich werde ich Hochparterre, die Hochparterris und all die vielen Bekannten in Architektur, Design und Planung vermissen. Ich bin traurig, dass ich die meisten von ihnen aus den Augen und dem Herzen verlieren werde. Aber der Lebensfaden sieht das Adieu immer wieder vor – ich bin nun nach so vielen glücklichen Jahren bei Hochparterre an der Reihe und es ist mir wohl dabei.

«Adieu Hochparterre

scrit bler
zoppantà pac
decis tuot
 

sun serain
am met al pos
serr meis fildarol

Eu doz meis chapè
per dal bun
adieu ed arrevair»

So heisst meine Rede an die 30. Generalversammlung der Hochparterre AG auf Vallader. Übersetzt hat sie Gianna Olinda Cadonau. Denn ja, Vallader werde ich lernen – es ist das musikalische Idiom der romanischen Sprache.

 

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Kommentare

Jacqueline Fehr 12.06.2022 21:35
Von Herzen alles Gute und auf weitere Begegnungen mit deiner Kapelle und auch ohne. Deine Stimme zum Raum wird vielerorts fehlen. Mir hast du die Bedeutung dieser Dimension unvergesslich mit auf den Weg gegeben. Auf bald! Und blib gsund!
Line Numme 12.06.2022 09:41
Alles Gute Köbi! Wer weiss, Vielleicht spaziere ich irgendwann mal an deinem Haus vorbei… ;) Herzlich, Line
Gion Duno Simeon 11.06.2022 07:54
Zum Glück habe ich gerade noch die letzte Jakobs-Post erwischt: belebend wie immer, über das "Jetzt" hinaus weisend. Wenn Du mir in den Sinn kommst, taucht jeweils eine meiner frühesten Kindheitserinnerungen im Bergdorf auf: beim sonntäglichen Spaziergang (meist der selbe Weg) wird mir bewusst, dass hinter den Bergen, die für mich damals die "Welt" waren, andere Berge zum Vorschein kommen. Das hat meine Neugier "gezündet" ! Und das ist es, was mich an Dir so fasziniert! Weiter so bzw. wie auch immer....!.
Anita Capaul 03.06.2022 11:26
Char Köbi, GRAZIA FITG per tes engaschi, tia avertadad, tia musicalitad e tes plaschair. Dein Charisma irradiert vom Prättigau in die Surselva, ins Engadin und überhaupt in allen Deinen Begegnungen.
Michael Hauser 02.06.2022 18:13
Merci Köbi, Hut ab, dass Du Platz machst, bin auch sicher, dass Deine Stimme nicht verstummt!
Stefan Cadosch 02.06.2022 11:28
Die ganz Grossen lässt man ungerne ziehen, gerade wenn sie sich vor nichts gefürchtet, auch Unbequemes zur Sprache und auf den Punkt gebracht haben. Den Schritt selber und in der Zeit zu machen, zeugt einmal mehr von Augenmass und hellem Verstand. Der aktive Unruhestand wird hoffentlich noch viele Blüten treiben, auf die wir uns freuen dürfen. A reveir ed igls migliers giaveischs! Stefan
Verena Konrad 01.06.2022 19:22
Lieber Köbi, egal ob gesprochen oder geschrieben - deine Worte haben für mich immer eine große Wirkung gehabt. Dafür und für konstruktive Kritik und liebevolles Hinschauen danke ich dir. Verena und das Team des vai
Pius Knüsel 01.06.2022 15:11
Lieber Köbi, alles Gute! Dann lesen wir ab jetzt FRIDA statt Hochparterre... Hm! Pius
Benedikt Loderer 01.06.2022 09:19
Lieber Köbi, mir ist ganz melancholisch im Gemüt. Vor 34 Jahren sassen wir bei Curti Medien in Glattbrugg, ratlos, aber entschlossen. Heute gärtnerst Du in Fläsch und ich politisiere in Biel. so geht das Sichpensionieren: Wir haben viel Zeit, aber nur noch eine Frist. Wir werden sie beide kräftig nutzen. Dein alter Freund Beno
Philippe Carrard 01.06.2022 07:53
Merci Köbi, Avec ta mise à la retraite, Hochparterre que j'apprécie beaucoup va pouvoir je l'espère franchir la "Röstigraben" et s'ouvrir sur la Romandie qui existe aussi !. Avec touts mes respects et meilleures amitiés ainsi qu'à Beno qui à choisi pour sa retraite Bienne/Biel ville de l'équilibre.
Jann Flütsch 31.05.2022 19:46
Vielen Dank Köbi für tollen Abschiedsworte. Ich freue mich auf Deine Kommentare im " Frida", das ich noch nicht gekannt aber soeben abonniert habe. Alles Gute im Ruhestand mit Luci , den Schmetterlingen und "Frida"
Hansruedi Müller 31.05.2022 18:16
Wow, das tönt wie ein echter, tiefer Schnitt. Ein Lebensabschnitt , der zu Enden geht, lernen, zwar noch eine Stimme zu haben, aber nicht mehr wichtig zu sein: Chapeau - eu doz meis chapè - ich verneige mich vor Dir, Deinem Lebenswerk, Deinem Abschied, Deinen neuen Perspektiven!
Bruno Bundi 31.05.2022 16:01
Danke Köbi Gut gemacht!
Chatrina Mooser-Nuotclà 31.05.2022 13:40
Char Köbi Vallader hat wirklich den schönen, melodischen Klang. Nicht weil ich auch vallader spreche. Ich bin ja grösstenteils in puter (Samedan) aufgewachsen. Aber daheim immer vallader parliert. Wer hat das Gedicht auf romanisch verfasst? Chars salüds e tuot il bun Chatrina
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