Adieu Hochparterre
Jakob pensioniert sich als langjähriger Chefredaktor und Verleger von Hochparterre. Seine Aktienmehrheit kommt in eine Stiftung. Ein Ausblick in seine und in die Firmenzukunft in seiner letzten ‹Jakobsnotiz›.
«Vieles geschrieben
Wenig verschwiegen
Alles entschieden
Heiter bin ich
Geh zur Ruh
Tu die Griffelschachtel zu
Und so schwenk ich meinen Hut
Das war's
Adieu, auf Wiedersehn»
Das war meine letzte Rede als Präsident des Verwaltungsrates anlässlich der 30. Generalversammlung der Hochparterre AG. Denn ich habe beschlossen, mich am 31. Mai 2022 zu pensionieren; ich verlasse Hochparterre nach 34 Jahren. Ich bin kein Chefredakter, kein Verleger, kein Mehrheitsaktionär, kein Unternehmer und kein Verwaltungsrat mehr.
Neulich unterschrieb ich die Verträge, die Hochparterre aus meinen Händen nehmen. Meine Aktienmehrheit kommt in eine Stiftung. Sie wird liberté, égalité et solidarité hüten – die Werte, die Benedikt Loderer und ich mit den Hochparterris während dreier Jahrzehnte gelebt haben. Die Stiftung «Mezzanin» sorgt als Ankeraktionärin mit 51 Prozent auch dafür, dass Hochparterre wirtschaftlich stabil bleibt. Die restlichen Aktien gehören mit höchstens je fünf Prozent 18 Hochparterris. Die Stiftung wird kontrolliert von allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Das gewährleistet langfristig kollektives Eigentum.
34 Jahre lang haben Benedikt Loderer und ich und dann die letzten 12 Jahre ich allein mit personaler Autorität Hochparterre geprägt. Nun gibt es einen Bruch. Gut so – künftig wird institutionelle Autorität die Firma zusammenhalten. Die Hochparterris und ich haben sie gut geformt mit der Stiftung als Mehrheitsaktionärin, den 18 Aktionärinnen, dem Verwaltungsrat, der Geschäftsleitung und der Betriebsversammlung. Auch künftig trägt guter Journalismus, von dem die Hochparterris schön und gut leben können, Institution und Leute. Mich freut, in welch gutem inhaltlichem, wirtschaftlichem und sozialem Zustand ich Hochparterre am 1. Juni 2022 weitergebe.
Ich danke allen für das, was sie mir zu gut und zu lieb getan haben – es hat immer auch Hochparterre gestützt, gestärkt und erfreut. Ich danke für die vielen Geschäfte, die mir geraten sind – sie haben Hochparterre genährt. Ich danke für die vielen Reportagen, Kommentare, Capricci, Themenhefte und Bücher, die ich geschrieben habe – sie sind mein Daseinsgrund. Mit der «Jakobsnotiz» Nr. 519 schliesse ich nun meine journalistische Arbeit ab – Ausnahmen werde ich mir ab und zu wohl gönnen. Diese Kolumne, zuerst über viele Jahre im Heft, dann auf hochparterre.ch erschienen, war einer meiner Lieblingsschreibplätze – die Mischung aus politischem Kommentar, Recherche und Sprachspiel hat meinen Charakter geformt. Mit ihm habe ich Hochparterre über drei Jahrzehnte inhaltlich mitgeprägt.
Auch meine Pflichten und Freuden in der Leitung anderer Firmen, Vereine und Gruppen habe ich im Laufe des letzten Jahres alle verlassen, ausser dass ich Präsident der Bündner Kulturkommission bleibe und helfe, den Bündner Literaturpreis aufzubauen
«Jakob-geh-Du-voran» ist der Beruf, den ich am besten konnte und am liebsten tat, nun bin ich mir selber gut genug – cultiver son jardin. Ich liebe mein Haus und meinen Garten in Fläsch, und werde mit dessen begabter Gärtnerin Luci, welche seit 38 Jahren meine Frau ist, Pflanzen, Schmetterlinge und Vögel pflegen und mit Luci lustvoll wie bisher und noch mehr das Leben, die Liebe und die Freundschaft feiern.
Musik wird mehr Platz im Leben haben. Für mich als Musikant – üben, üben, üben mit der Klarinette. Zurzeit den Schottisch «Malojawind» mit den atemraubenden Läufen. Zeit werde ich auch haben für meine Freude an der grossen Musik von Johann Sebastian Bach. Und über Musik werde ich wieder schreiben – ich begann als Bub meinen journalistischen Lebensfaden 1971 mit Feuilletons über Rock&Pop – ich schreibe künftig als Korrespondent für Volksmusik in der formidablen elektrischen Zeitung «Frida».
Freilich werde ich Hochparterre, die Hochparterris und all die vielen Bekannten in Architektur, Design und Planung vermissen. Ich bin traurig, dass ich die meisten von ihnen aus den Augen und dem Herzen verlieren werde. Aber der Lebensfaden sieht das Adieu immer wieder vor – ich bin nun nach so vielen glücklichen Jahren bei Hochparterre an der Reihe und es ist mir wohl dabei.
«Adieu Hochparterre
scrit bler
zoppantà pac
decis tuot
sun serain
am met al pos
serr meis fildarol
Eu doz meis chapè
per dal bun
adieu ed arrevair»
So heisst meine Rede an die 30. Generalversammlung der Hochparterre AG auf Vallader. Übersetzt hat sie Gianna Olinda Cadonau. Denn ja, Vallader werde ich lernen – es ist das musikalische Idiom der romanischen Sprache.