Zwist um Zürich-West
Eine Studie von Inura zeigt: Die öffentliche Hand investiert in Zürich-West eine halbe Milliarde Franken, während Private satte Gewinne einfahren.
Eine Studie des Zürich Inura Institut zeigt: Die öffentliche Hand investiert in Zürich-West eine halbe Milliarde Franken, während Private satte Gewinne einfahren und sich mit gerade Mal einem Prozent an den Kosten für die Infrastruktur beteiligen. Die Zahlen sorgen für Zündstoff. Entsprechend hitzig verlief die Diskussion gestern Abend am Städtebaustammtisch, zu dem Hochparterre und der Mieterinnen- und Mieterverband luden. Dreihundert Personen waren im Restaurant Escherwyss versammelt und warteten auf Erklärungen. Schon die Einstiegsvoten gingen in diametral unterschiedliche Richtungen. Andreas Loepfe, Experte für Urban Management, findet Zürich West super: «Das ist die einzig schräge Ecke der Stadt.» Auch Christoph Caviezel, CEO der Mobimo Holding, fühlt sich wohl im Trendquartier. Brigit Wehrli-Schindler, die Stadtentwicklung Zürich 14 Jahre lang leitete, gefällt das Gebiet zumindest zum Teil. Ganz anders die Einschätzung von SP-Nationalrätin Jacqueline Badran. Sie sieht im Stadtteil «eine seelenlose Kapitalverwertungs-Veranstaltung, die vom Steuerzahler hochgradig subventioniert wurde».
Mit dem Votum gewann die Debatte an Fahrt. Thema Nummer eins war der geringe Wohnanteil, mit dem es das Quartier laut Studie derzeit gerade Mal auf 3200 Einwohner bringt. Wehrli-Schindler verteidigte die Planer. Zu Beginn der Entwicklung in den 1990er-Jahren sei Zürich wenig attraktiv gewesen und die Grundeigentümer hätten nicht an Wohnungen gedacht. «Dass wir überhaupt einen Wohnanteil eingefordert haben, ist ein Erfolg.» Dass im Quartier überdurchschnittlich viele teure Eigentumswohnungen gebaut werden, erklärte Caviezel mit der Nachfrage. «Die Privaten sind frei, anzubieten, was nachgefragt wird.» Auch Loepfe argumentierte mit der Freiheit des Marktes. «Offenbar sind die Leute bereit, diese Preise zu bezahlen, also sind die Wohnungen zahlbar.» «Warum wohnt denn niemand im Mobimo-Tower?», konterte Badran sofort. Worauf Caviezel den Kopf schüttelte. Viele Leute würden permanent im Turm wohnen, meinte er. «Wir kontrollieren aber nicht, ob es Erst- oder Zweitwohnungen sind.»
Neben dem Wohnanteil drehte sich die Diskussion vor allem ums Geld. Caviezel findet die Studie diesbezüglich einseitig. Sie sage nicht, wie viel Geld die Privaten in das Quartier gesteckt hätten. «Wir haben bis jetzt vor allem investiert und noch keine Gewinne erzielt.» Loepfe hat grundsätzlich kein Problem damit, wenn die öffentliche Hand bezahlt und die Privaten Geld machen. Dennoch würde er es auch als Ökonom begrüssen, wenn die Mehrwerte abgeschöpft würden. «Doch in Zürich ist eine sinnvolle Umverteilung rechtlich nicht möglich.» Als grösste Nutzniesser sieht Wehrli-Schindler ohnehin die ursprünglichen Grundeigentümer. Diese hätten durch den Verkauf viel Geld gemacht, aber nichts investiert. Badran stellte den Privaten derweil ein Ultimatum: «Wenn sie nicht mitfinanzieren, wird es keinen Pfingstweidpark geben.» Wie soll die Stadt also in Zukunft Gegensteuer geben? Badran sieht wenig Hoffnung, die «börsenkotierten Immobilienfirmen zu bändigen»: «Solange das Land nicht der Stadt gehört, können wir nichts machen.»
Hochparterre dankt Velux für die freundliche Unterstützung des Städtebaustammtisches.