Im Hochparterre Alterier U-30 diskutierten sie zum Thema Stadtplanung: Matthias Vollmer, Fabienne Hoelzl, Alexander Kneer und Sarah Asseel (v.l.n.r.)

Stadtplanung – ganz anders

Vier unterschiedliche Ansätze von Stadtplanung wurden am letzten Abend des «Ateliers U-30» vorgestellt und diskutiert – Ansätze die weit über Planungen auf Papier hinausreichen.

Alexander Kneer arbeitet bei Hosoya Schaefer Architects und beschäftigt sich gerade mit der Umnutzung des Industrieareals der V-Zug. Der Ansatz hier: Ein neuer Stadtteil kann nicht von A bis Z durchgeplant werden. In den Hallen soll zuerst Platz für öffentliche Räume geschaffen werden, rundum etablieren sich dann neue Nutzungen. Der Wandel soll mehrere Jahre dauern und oft müsse der Urbandesigner die Rolle des Moderators übernehmen.

Sarah Asseel, Mitgründerin der Plattform «studiolokal.net» stellte Interventionen aus dem Hamburger Stadtteil Williamsburg und aus Kairo vor. Sie untersucht die Vernetzung der Menschen im Quartier und stellte im Falle von Kairo fest, dass wir dort zwar kaum auf öffentlichen Raum treffen, dass es den in Höfen und auf Dächern aber sehr wohl gibt.

Untersuchungen mit Kamera, Mikrofon und 3-D-Scanner führen die Studierenden am Medialab des ETH-Lehrstuhls von Christophe Girot durch. Matthias Vollmer stellte Resultate vor. Gesucht werden besondere Bilder, die Typologien und Eigenheiten eines Ortes besser aufzeigen können als Pläne auf Papier. Audiovisuelle Eindrücke verändern nämlich die Wahrnehmung.

Dann zeigte Fabienne Hoelzl, die am ETH-Lehrstuhl von Kees Christiaanse forscht und mit dem Büro «Fabulous Urban» Projekte umsetzt, ihren Einsatz zur Verbesserung der Lebensbedingungen im Slum Makoko in Lagos/Nigeria. Für uns undurchschaubare soziale Netze, hierarchische Strukturen, krasse Einkommensgegensätze und Korruption machen dort eine Planung, wie wir sie kennen, unmöglich. Dennoch ist der Bau einer gemeinschaftlich betriebenen Biogasanlage fast am Ziel. Möglich sei das geworden, weil die Planer hier als «Konfliktschnittstellen» auftreten. Moderieren allein genüge in Lagos nicht.

Die Diskussion unter den vier Protagonistinnen und Protagonisten, die alle jenseits der klassischen Planung arbeiten, zeigte, dass Masterplanungen heute oft nur noch für die Schubladen erstellt werden. Weil die politisch Verantwortlichen die neueren Planungsprozesse noch nicht verstünden, verlangten sie noch die klassischen Unterlagen. Und da seien dann Investoren im Vorteil, weil sie solche Unterlagen professionell bereitstellen. «Je kleiner eine Gemeinde, desto schwieriger, die Investoren zu lenken», redete Fabienne Hoelzl Klartext. Aber auch in Lagos, wo China gross investiere, sei das nicht anders. Die guten Projekte aber entstehen meist auf Initiative der betroffenen Bevölkerung – auch die High-Line in New York.

«Als Architektinnen und Planer müssen wir uns eingestehen, dass wir nicht alle Mittel in der Hand haben», bilanzierte Sarah Asseel. Doch da wäre noch einiges zu gewinnen, wenn vermehrt audiovisuelle Mittel in den Planungsprozess einbezogen würden, meinte Matthias Vollmer. Und Alexander Kneer stellte fest, dass hierzulande die Regelungsdichte viele spannende Entwicklungsprozesse verunmögliche.

Meinungsbildungsprozesse brauchten auch mehr Zeit, meinte die Runde und verwies zum Beispiel auf das Turmprojekt von Vals. Da gebe der Investor Vollgas und wolle alles in Rekordzeit durchpeitschen. Doch ein Dorf wie Vals könne nicht innert weniger Wochen Ja oder Nein zu einem solche Projekt sagen. Wenn Orts- und Städteplaner in solche Business-getriebenen Projekte eingreifen wollten, dann müsste sie politisch handeln, stellte Fabienne Hoelzl fest: «Architekt – dein Handeln beeinflusst die Gesellschaft», meinte sie und erntete kräftigen Applaus.


«Hochparterre U-30»: Alles zum Projekt, zum Heft und zum ‹Atelier U-30›

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