Noch bis 2. Oktober können Besucher die Stadtinstallation im Schiffbau durchwandern. Fotos: Toni Suter / T+T Fotografie

Dichte zwischen räumlicher Enge und sozialer Breite

Im Rahmen der Stadtinstallation «Alles muss weg!» diskutierten Zürichs Städtebaudirektor Patrick Gmür und der Urbanist Richard Wolff die Frage: «Ist Zürich dicht (genug)?»

Am zweiten Dichtetag von Hochparterre im Rahmen der Stadtinstallation «Alles muss weg!» im Schiffbau blickten Referenten hinaus in dichte Städte rund um den Globus: Der Mailänder Architekt und Architekturtheoretiker Nicola Braghieri untersuchte theoretisch und veranschaulichte mit vielen Bildern aus der Stadtgeschichte, ob die alte europäische Stadt als Vorbild für heutige Verdichtung taugt - und kam zum Schluss: Nein. Weil Städte wie Neapel, Mailand, Rom unter anderen Bedingungen entstanden, nur bedingt adaptierbar ans Heute sind und sich Reformen und Sanierungen widersetzen. Falk Kagelmacher erzählte aus Peking: Dass massenhaft Wohungen mit 600 und gar 1000 Quadratmeter gebaut werden. Dass sich die Pekinger und Pekingerinnen über das Wachstum ihrer Stadt freuen, weil es ein modernes Peking ermöglicht. Dass dieses Wachstum aber manche planerische Zeitbombe enthält, zum Beispiel die kaum vorhandene Erschliessung mit einem innerstädtischen öffentlichen Verkehr. Und dass, will China die Verdichtung schaffen, die Hochhäuser zum nachhaltigen Bautypus werden müssen - sozial, ökologisch und ökonomisch tragfähig. ETH-Professor Hubert Klumpner berichtete furios von der Arbeit des Urban Think Tank aus Caracas, wo unfertige Bankenhochhäuser und soziale Wohnsiedlungen besetzt werden, bevor sie fertig gebaut sind. Und wo Klumpner und sein Partner Brillembourg mit einer Seilbahn die Slums erschlossen, die erstmals einen öffentlichen Nahverkehr ermöglichen und deren Stationen öffentliche Nutzungen aufnehmen. Mit welchem Erfolg, illustriert dies: In einem der unsichersten Gebiete der Welt hat sich eine Bank getraut, einen Bankomaten in eine der Seilbahnstationen einzubauen.

Den Bogen zurück nach Zürich spannte eine Diskussion am Ende des Tages. Hochparterre Redaktor Axel Simon debattierte mit Patrick Gmür, Direktor Amt für Städtebau Zürich, und dem Urbanisten Richard Wolff die Frage: Ist Zürich dicht (genug)? «Erst müssen wir klären, was Dichte ist», stellte Wolff zu Beginn klar. Dichte sei kein objektiver Begriff, sondern in erster Linie bauliche oder soziale Konzentration, oder allgemein Diversität. Entscheidend sei die Frage: «Wer bezahlt die Dichte und wem nützt sie?» Die Bevölkerung dürfe nicht das Gefühl erhalten, verdichtet werde nur bei den Armen. Denn: «Dichte löst Ängste aus», so Wolff. «Wir müssen daher zeigen, was positiv an Dichte ist.» Dem stimmte Gmür zu und frage generell: «Wohin wollen wir als Stadt?» Für Wolff ist dies eine Frage nach dem rasanten wirtschaftlichen Wachstum: «Wollt ihr das überhaupt?», fragte er ins Publikum.

Die Stadt wird dichter, werden damit auch die Gebäude anders? Laut Gmür verändert die höhere Dichte die Architektur nicht direkt. Viel stärker werde der Städtebau von den neuen Wohnungstypen beeinflusst: «Mit den grossen Balkonen und Verglasungen nehmen wir die Agglomeration in die Stadt hinein.» Mit der Folge, dass die Strassenfluchten zerfransen. Wird von Dichte gesprochen, sehen viele sofort Hochhäuser vor den Augen. Doch die Dichte gen Himmel ist keine Lösung, waren sich die beiden Gäste einig. Das Bauen in die Höhe sei zu teuer und würde nur bedingt mehr Fläche ermöglichen. Gmür prognostizierte darum nicht höhere Wohnungen, sondern kleinere: «Die Wohnungen müssen schrumpfen, damit wir sie uns leisten können.» Um die soziale Dichte zu erhalten, will Zürich den Anteil an gemeinnützigen Wohnungen von einem Viertel auf einen Drittel steigern. «Dafür muss die Stadt viel Geld aufwenden», meinte Wolff. Ansonsten würde die Durchmischung sinken, während die Bodenpreise steigen. Ein Ausweg für explodieren Preise im Zentrum, ist der Sprung in die Agglomeration. Falls Zürich wachsen wolle, sei der Vorschlag der Gruppe Krokodil für eine Stadt im Glattal vielversprechend, meinte Wolf. «Wir müssen die Stadt auch am Rand attraktiv gestalten.» Er kann sich vorstellen ein Kongresshaus, die Kunsthauserweiterung oder ein Stadion in der Vorstadt zu bauen. Gmür aber will die Tore der Stadt nicht schliessen: «Ich würde mich hüten, zu sagen: Die Stadt ist voll», entgegnete er. Wo also kann Zürich auf Stadtgrund dichter werden? Laut Wolf hat die Stadt noch viele Reserven: Er nannte die SBB-Areale, die Schrebergärten und als grosses Tabu den Wald. Doch Gmür winkte ab: «Wenn wir vom Kreis 4 bis Altstetten Blockränder bauen, kann Zürich um 100’000 Bewohner wachsen, ohne einen Baum zu fällen.»

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