Das Medienverständnis von Architekten

Zum Journalismus gehört die Kritik. 
In den letzten Ausgaben von Hochparterre sind Architekturkritiken erschienen, die zwar das Gelungene lobten, aber auch das Misslungene klar benannten. Die Reaktionen reichten von beleidigt bis harsch. Ein Plädoyer für etwas weniger Eitelkeit.

Im Dezemberheft darf Hochparterre Schönes zeigen und Kluges feiern. Doch Lob kann selten so uneingeschränkt alleine stehen, zum Journalismus gehört die Kritik. 
In den letzten Heften sind Architekturkritiken erschienen, die zwar das Gelungene lobten, aber auch das Misslungene klar benannten. Eine davon betroffene Architektin akzeptierte einige Kritikpunkte, argumentierte für andere ihrer Lösungen aber mit Leidenschaft. So kann man diskutieren.

Das ist die Ausnahme. Ansonsten reichten die Reaktionen von beleidigt bis harsch. Jemand war beleidigt, weil ihm der Kritiker zu jung war. Jemand teilte mit, er werde uns künftig keine Pläne mehr geben, um über seine 
Bauten schreiben zu können. Ähnliche Fälle gibt es im
mer wieder. Eine junge Architektin wollte einmal die Seite über ihren Bau gleich selbst layouten, um ihn im besten Licht zu zeigen. Ein berühmter Architekt war über Kritik erbost und rief den Chefredaktor an: «Wer ist diese Frau Marti!?» Jemand forderte: «Entweder Sie schreiben diesen Satz, wie ich ihn will, oder Sie schreiben gar keinen!» Ein junges Büro, durch Wettbewerbserfolge aufgefallen, wollte dem Journalisten keine Fragen beantworten: «Wann es etwas zu berichten 
gibt, sagen wir!» Ein gefeierter Meister drohte nach einem kritischen Satz: «Ich werde alles daran setzen, Hochparterre zu vernichten!»

Solche Reaktionen lassen uns am Medienverständnis in Architektur- und Designkreisen zweifeln. Es ist, als hätten es Architektinnen und Architekten in der Publikationswut — man berichtet in Büchern und auf Websites fast ununterbrochen über seine Arbeit — verlernt, dass es verschiedene Arten des Veröffentlichens 
gibt: Die eigene Publikation als Hofbericht — und die Medien mit der Aufgabe, Vorgänge zu analysieren 
und zu beurteilen zuhanden der Öffentlichkeit. Diese unabhängige Meinung wird, geht es um andere, gern und 
oft gefordert. Geht es um das eigene Werk, löst sich das Verständnis dafür in Luft auf. Beeindrucken lassen wir uns davon nicht und arbeiten weiter am kritischen, distan
zierten und kompetenten Journalismus. Und plädieren zum Jahresschluss für etwas weniger Eitelkeit.

Dieser Text erschien in der Rubrik «Lautsprecher» der Dezemberausgabe von Hochparterre.

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Kommentare

heidi-barbara 13.12.2012 14:35
Ich persönlich wäre für eine Sammlung der schönsten Architektensätze zum Thema. Wir hier in der Konkurrenz-Redaktion haben herzlich gelacht und können Hochparterre trösten: Die Damen und Herren Architekten meinen's nicht persönlich. Es geht auch anderen so.
Katharina 13.12.2011 14:30
Journalistin sind keine PR-Agententen, sondern regen zur Diskussion an und sollten durch die Hinterfragung, die Architekten, Bauherren, Investoren etc. weiterbringen. Schönmacherei und langweilige Bestandsaufnahmen bringen niemand weiter. Ein Journalist, der diesen Anspruch nicht hat, hat, meiner Meinung nach, seinen Beruf verfehlt.
Thomas Stadelmann 13.12.2011 13:47
Danke, liebe Rahel Marti, dem Kommentar kann ich aus eigener Erfahrung nur zustimmen.
Egon 09.12.2011 11:54
"Ein junges Büro, durch Wettbewerbserfolge aufgefallen, wollte dem Journalisten keine Fragen beantworten." - Eine bedenkenswerte Haltung. Chapeau! Viele andere junge ArchitektInnen prostituieren sich, um eine möglichst grosse mediale Präsenz zu bekommen, auch wenn sie im Grunde nichts zu sagen haben.
Eric Sturm 09.12.2011 10:18
Sehr guter Kommentar! Das optimierungsfähige Medienverständnis einiger Architekten zeigt für mich, dass das Thema Öffentlichkeitsarbeit und der Umgang mit Öffentlichkeit endlich Eingang in die Ausbildung an den Hochschulen finden muss.
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