Über Bilder, Bauten und ihre Bedeutung wurde am Tag der Architekturfotografie diskutiert.

Bilder machen und Bauten zeigen

Gestern standen an der ewz.selection die Bilder von Bauten einen Tag lang im Fokus. Der von Hochparterre und Swiss-Architects.com mit Unterstützung von Haworth organisierte «Tag der Architekturfotografie» stiess auf grosses Interesse.

Experten kommentierten die Portfolios ausgewählter Fotografinnen und eine grosse Schar Interessierter nahm an der Führung durch die Ausstellung teil. Beim Sofagespräch plauderte Autor und Fotograf Wilfried Dechau mit dem Architekten und Architekturfotografen Dominique Marc Wehrli über das Bildermachen für Architekten. Er kenne die ganze Bandbreite von Auftraggebern, von solchen die sich überraschen lassen wollen bis zu jenen, die auf dem Grundriss die Punkte für die Perspektiven markierten, meinte Wehrli. Manch ein Architekt würde ihm auch den ganzen Entwurfsprozess erzählen. «Doch ich brauche keine Geschichte», sagte Wehrli. Und: «Beim Fotografieren will ich alleine sein.»
Der wortgewandte Dechau erzählte viel aus seiner langen Erfahrung als Chefredaktor der Deutschen Bauzeitung und nahm kein Blatt vor den Mund. Wehrli gab sich zurückhaltender. Die beiden diskutierten über das Verhältnis herausragender Bauten und guter Architektur, das enge Korsett der Konventionen in der Architekturfotografie und die Fokussierung der Bilder auf einzelne Gebäude. Am Schluss stand die Frage im Raum, wie weit der Fotograf gehen darf, um ein Gebäude ins beste Licht zu rücken. Laut Dechau ist Schummeln erlaubt, solange das Bild die tatsächliche Wirkung auf den Betrachter transportiert. Wo aber die Grenze liegt, ist schwer zu sagen. «Ist es nicht bereits eine Inszenierung des Bauwerks, wenn ich es bei perfektem Tageslicht festhalte?», fragte Wehrli am Ende in die Runde.

Die anschliessende Podiumsdiskussion unter der Leitung von Hochparterre-Redaktorin Meret Ernst drehte sich um Bilder und ihre Wirkung in der Architektur. Zu Beginn stellten die Gäste eine Auswahl von Aufnahmen vor – von Filmausschnitten über Fotografien bis Renderings. Sie veranschaulichten die Funktionen eines Bildes als Inspirationsquelle, als Mittel der Dokumentation oder zur Konstruktion einer Realität. Kunsthistoriker Martino Stierli zeigte, wie die Bildmanipulation bereits früh dazu benutzt wurde, um ein bereinigtes Bild der Realität wiederzugeben – etwa als Le Corbusier bei einem Foto der Villa Schwob den Kontext wegretuschierte. Warum die Architekturfotografien denn immer menschenleer seien, fragte Ethnologe David Signer und fügte an: «Mir scheint das Konzept totalitär, nur die ursprüngliche Idee des Architekten zum Tragen zu bringen.» Da zähle die Idee mehr als der Mensch. Auch Stierli forderte mehr gelebter Raum und weniger konzeptionelle Architektur in den Bildern. Architekturfotografin Andrea Helbling entgegnete, dass das Fotografieren von Menschen aufwändig wäre und sie die Aufmerksamkeit stark auf sich ziehen würden – ein Dorn im Auge vieler Auftraggeber.
Architekt Joseph Smolenicky jedenfalls gehört nicht zu den Kontrollfreaks, die jedes Detail in den Aufnahmen ihrer Gebäude kontrollieren. Er lege wert auf ein faszinierendes Bild und lasse sich gerne vom Fotografen überraschen. «Meine Sichtweise ist ja bereits im Bauwerk drin», so der Architekt. Doch wie viel Freiheit hat die Architekturfotografie? Es gehe darum, eine Balance zu finden zwischen den medialen Eigenheiten der Fotografie und dem Anspruch einen dreidimensionalen Raum auf dem flachen Papier wiederzugeben, meinte Stierli. Immer populärer ist heute neben der Fotografie das Rendering. Helbling sieht die unechten Lichtstimmungen von Computerbildern skeptisch und pries die Vorteile der analogen Fotografie. Sich den digitalen Möglichkeiten zu entziehen, sei keine Option, meinte jedoch Stierli. Smolenicky ist sowohl von der totalen Kontrolle eines Renderings wie auch vom Hauch des Realen einer Fotografie fasziniert: «Ich will beides haben.» Ein Wunsch, der in der heutigen bilderdurchfluteten Zeit bestimmt Realität wird.

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