Minderwertige Plagiate schädigen nicht nur die Originalhersteller, sondern auch den Verbraucher. Links das Original ‹Up-Lift› von Prostoria, rechts die Fälschung.

Wider die Piraten!

Der Negativpreis ‹Plagiarius› kürt besonders dreiste Produktfälschungen. Wie Nachahmer auf Kosten Kreativschaffender Profit machen.

«Wir bieten hochwertige Reproduktionen, hergestellt nach den gleichen Standards wie die Originale. Tolles Design für alle bezahlbar», verkündete die Londoner Firma Oxygen. Deren Verkaufsplattformen myfaktory.com  und privatefloor.com verwehren aktuell den Zugang – angeblich, um sich vor Hackern zu schützen. Naheliegender ist allerdings, dass Oxygen das Rampenlicht scheut: Für die Fälschung des Schlafsofas ‹Up-Lift› vergab die Aktion Plagiarius den dritten Platz. Oxygen hat 1:1 Design, Funktion und Name des klug konstruierten Möbels kopiert, das das Designstudio Neisako für den kroatischen Hersteller Prostoria entworfen hat. Der vollmundigen Eigenwerbung hält die Verarbeitung von Oxygen-Kopien indes nicht stand. «Schrottreif, Billigware, null Sterne», lauten die Urteile enttäuschter Käufer.

Einzelne Produktkomponente und Oberflächengestaltung sind besonders oft Ziele von Nachahmungen. Manche Firmen durchforsten Trendstores nach den erfolgreichsten Produkten und kopieren sie. Durch die Änderung unwichtiger Details versuchen die Fälscher, rechtliche Schritte abzuwehren. Andere Firmen, wie der Preisträger Oxygen, kommunizieren ihre Strategie ganz offen. Hinter den Auftraggebern für Raubkopien stehen oft Wettbewerber oder ehemalige Lieferanten, Produktions- und Vertriebspartner. Besonders häufig fälschen chinesische Hersteller, sie verantworten über 60% aller Plagiate. Auf Deutschland – mit 19% immerhin auf Platz zwei – folgen Russland, USA, Türkei, Indien und Italien.

Links das Original, rechts die Kopie: ‹Polygon›, entworfen von dem Designkollektiv Numen/For Use für den kroatischen Hersteller Prostoria. Plagiator ist M-Edition aus London.

‹Space Wonder› von Rotho Kunststoff wird von Tuffex aus Istanbul plagiiert. Ein Onlinehändler hat die Nachahmung inzwischen durch das Original ersetzt, Tuffex selbst verkauft es noch immer.

1977 gegründet, ist Aktion Plagiarius heute notwendiger denn je. Denn mafiös agierende Fälscherringe sind professionell organisiert, global vernetzt und äusserst erfolgreich. Für den Vertrieb nutzen sie das Internet, Social Media und Messenger-Dienste. Laut einer Studie von OECD und EUIPO belief sich der globale Handel mit gefälschten Waren 2016 auf 460 Milliarden Euro. Das entspricht 3,3% des weltweiten Handels. Um die Risiken einer Strafverfolgung zu minimieren und die Gewinne zu maximieren, diversifizieren professionelle Fälscher ihre Tätigkeitsfelder: Drogen, Produkt- und Markenpiraterie, Impfstoffe – kaum ein Bereich bleibt verschont.

Für einen ‹Barcelona Chair› 700 statt 6600 Franken zu bezahlen, klingt nur in der Theorie gut. In der Praxis untergräbt man damit einen Markt, der geringe Margen erwirtschaftet und in die Entwicklung neuer Design- und Techniklösungen investiert. Zudem fördern engagierte Möbelhersteller junge Designerinnen und Designer, bringen deren Entwürfe zur Produktionsreife und tragen das kommerzielle Risiko. Aktion Plagiarius appelliert an das Verantwortungsbewusstsein der Käuferschaft: «Die Lösung ist einfach: Keine Plagiate kaufen, und so den Fälschern ihre Geschäftsgrundlage entziehen. Denn Plagiate und Fälschungen sind weder Kompliment, noch harmloses Kavaliersdelikt. Sie sind rücksichtslos, vernichten Arbeitsplätze und bedeuten Stillstand statt Fortschritt.»

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