Rosmarie Tissi in ihrer Zürcher Wohnung – die Grafikerin blickt auf viele Reisen zurück, auf denen sie ihren «Geist befreien» konnte. Fotos: Urs Walder

Reiselust statt Rasterdenken

Im Rückspiegel erklärt die Grafikdesignerin Rosmarie Tissi (85) wie sie mit ihren Sinn für das Spielerische mit dem Reduktionismus der Moderne verbunden hat. Mit ihrem Stil wurde sie weltbekannt.

Als in der Grafik der sogenannte Schweizer Stil aufkam, ritten viele auf dieser Welle, weil es relativ einfach war. Salopp formuliert war damals alles viereckig, es brauchte also wenig Raffinesse. Und überall dieselbe Schrift! Mir war die Bodoni lieber als die Helvetica; das war mir alles zu schwer und zu dogmatisch. Wenn ich dem Swiss Style zugeordnet wurde, freute ich mich gar nicht. Ich mochte die Italiener lieber, die waren lebendiger. Und die Amerikaner: Sie gingen auf die Inhalte ein, nicht auf ihr Ego. Mich ärgert es, wenn Designschaffende diffuses Zeug entwerfen, das nichts mit der Sache zu tun hat. Manche präsentieren in erster Linie sich selbst. Ich versuchte darzustellen, was der Kunde macht, nicht, wer ich bin. Mein erstes Lehrbüro war eine Katastrophe. Ich durfte nur putzen und lernte nichts. Darum suchte ich in Zürich eine neue Stelle und bewarb mich bei Grafikstudios wie Müller Brockmann und Carl B. Graf. Von dem Autodidakten Sigi Odermatt riet man mir ab, aber ich ging  trotzdem zu ihm und absolvierte die letzten zwei Lehrjahre. Ich schloss als Zweitbeste meines Jahrgangs ab. 1971 bezogen wir zusammen einen Lagerraum an der Schipfe. Beim Entwerfen brauche ich Raum für mich, um experimentieren zu können. Diese Freiheit hatte ich bei Odermatt. Ich arbeitete unheimlich viel. Doch im Sommer ging ich mittags schwimmen und entwickelte an der Sonne liegend neue Ideen. Weltenbummlerin mit Widerstandskraft Weil Kunden ständig den Chef verlangten, statt mit mir zu sprechen, änderten wir den Namen ‹Atelier Odermatt› in ‹Odermatt & Tissi›. Unser Austausch bestand aus Gesprächen, nicht aus gemeinsamen Projekten. Wir arbeiteten meist getrennt voneinander. Später bedauerte ich manchmal, dass ich nach der Lehre nicht ins Ausland gegangen war. Doch wir hatten tolle Aufträge – die hätte ich nicht aufgeben wollen, um stattdessen vielleicht Werbung für Zig...
Reiselust statt Rasterdenken

Im Rückspiegel erklärt die Grafikdesignerin Rosmarie Tissi (85) wie sie mit ihren Sinn für das Spielerische mit dem Reduktionismus der Moderne verbunden hat. Mit ihrem Stil wurde sie weltbekannt.

E-Mail angeben und weiterlesen:

Geben Sie uns Ihre E-Mail-Adresse und wir geben Ihnen unseren Inhalt! Wir möchten Ihnen gerne Zugriff gewähren, obwohl dieser Beitrag Teil unseres Abos ist.