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Zum Gedenken an Kurt Thut

Kurt Thut war ein Grandseigneur der Schweizer Designszene. Am 21. März ist er kurz vor seinem 80. Geburtstag verstorben. Hören und Lesen Sie die Gedenkrede von Köbi Gantenbein anlässlich der Trauer- und Abschiedsfeier des Möbeldesigners.

Die Familie Thut, die Belegschaft, Freundinnen und Freunde haben gestern mit einer Gedenkfeier von Kurt Thut Abschied genommen. Der Mann, der das zeitgenössische Möbeldesign der letzten dreissig Jahre über die Schweiz hinaus mit seinen eigenständigen und pfiffigen Beiträgen prägte, ist am 21. März gestorben. Zum festlichen Ort umgerüstet war das Fabriggli in Möriken, Kurt Thuts Produktionsort und «Unternehmen»; überall Zweige mit Apfelblüten in heiter-melancholischem Ambiente. Julia und Lina, zwei Nichten Thuts, spielten Geige und Klavier. Benjamin Thut sprach im Namen der Familie und fand berührende Worte, wie und weshalb Kurt zu seinem grossen Vorbild wurde; Ruedi Bürgi, einer der ersten Bauherren des Architekten Thut, berichtete wie Kurt zur ästhetischen Instanz von drei Generationen Bürgi geworden ist; Rosmarie Horn und Lis Schüpbach brachten Grüsse und Erinnerungen von teo jakob, der Berner Institution, an deren Werden Thut grossen Anteil hatte; Christian Lüber, ein jüngerer Mitarbeiter von Thut Möbel erinnerte sich in bewegenden Worten und mit Tränen an den Patron, der nun nicht mehr ist und Köbi Gantenbein schliesslich porträtierte das Gesicht, das melancholische Lächeln, das Temperament und die Gesten von Kurt Thut. Und wie er es gewünscht hatte, gab es nach den kurzen Reden gute Weine aus dem Piemont, köstliches Essen und langes Zusammensitzen, Reden und Erinnern.

Gedenkrede von Köbi Gantenbein

Liebe Trauerfamilie, liebe Trauerfirma, liebe Trauergemeinde

Kurt und ich sitzen in der Eisenbahn heimwegs von Frankfurt. Wer mit ihm reist, reist beschaulich. Wir schauen aus dem Fenster. Er bietet Schokolade an. Er neigt er seinen grossen Kopf leicht schief gegen die linke Schulter. Er zieht seine grossen, buschigen und braungrauen Wimpern über die wachen, dunklen Augen, so dass sie sich zu einem Schlitz verziehen. In den Ecken gibt es Falten und Fältchen. Die Mundwinkel zieht er in die Breite. Dann steigen die Brauen hoch und es lächelt melancholisch aus dem Gesicht: «Ich bin», sagt er leise, «immer froh, wenn es wieder heimwärts geht». Noch einmal Schokolade. Wir schauen aus dem Fenster. «Das Geschäft» sagt er weiter «ist streng. Aber das muss so sein. Das war es schon für meinen Vater. Und ich muss dafür halt in die Welt. Denn das, was der Welt gefällt, wird einem zu Hause gut tun. Gewiss, die Form ist wichtig. Und ich habe schon gestalterischen Ehrgeiz. Vorbilder habe ich auch. Aber wichtig ist, dass der Betrieb Arbeit hat und nötig ist, dass ich dafür mein Auge schärfe, wenn ich in die Fremde gehe. Das tat ich schon als Bub, wenn ich sah, dass die vom Nachbardorf Hosenträger aus Leder haben, wir aber solche aus Stoff. Und ich habe als Unternehmer gelernt: Wir können nur sein, wenn wir anders sind. Anders und gut.»

Wir sitzen in der Stube im Wohnhaus von Zürich Witikon, wo er und Regina lange zu Hause waren. Er sitzt im Sessel, die markanten Hände auf die Knie gelegt. Er lächelt bevor er spricht. Er nennt das Haus «Schubladenhaus», weil die Wohnungen wie solche übereinander stehen. Er macht mit dem Architekten Paillard was ich mit Kurt Thut. Er erklärt: «Wenn ich etwas Neues mache, muss ich lange suchen und probieren. Bilder wie das vom Pfannenuntersatz, der nun mein Scherenbett sein soll, kommen immer erst nachher. Wenn ich etwas endlich beieinander habe, will es einen Namen tragen und eine Geschichte über seinen Zweck hinaus erzählen. Ich bin froh, gibt es dafür solche wie Dich mit Deiner Zeitung.» Er wundere sich aber schon, wenn er gelobt werde als jüngster aller zeitgenössischen Möbeldesigner. Er habe ja so grosse Freude an seinen Enkeln. «Es geniert mich, wenn ich meinen Namen in der Zeitung lese. Siehst denn Du den Fehler nicht?» Dann wieder diese Geste. Er neigt seinen grossen Kopf leicht schief gegen die linke Schulter. Er zieht seine grossen, braungrauen Brauen über die wachen Augen, so dass sie sich zu einem Schlitz verziehen. In den Ecken gibt es Falten und Fältchen. Die Mundwinkel zieht er in die Breite. Dann steigen die Brauen hoch und es lächelt melancholisch aus dem Gesicht: «So ist es eben. Du siehst den Fehler nicht.»

Kurt Thut anlässlich der Ausstellung «Thut Möbel 1953 bis heute», die ihm sein Weggefährte, Freund und Fotograf Alfred Hablützel vor zehn Jahren bei Rainer Hitz in Dietikon eingerichtet hatte. Natürlich, es geniert ihn. «So viele Leute. Alle wegen mir.» Und es freut ihn, denn alle sind da. Loben, sehen die Fehler nicht, loben, essen gut und trinken schön.

Im Katalog schreibt Bundesrat Moritz Leuenberger: «Kurt Thut macht Schränke. Schränke hüten Kleider. Kleider machen Leute. So werde ich täglich geformt von Kurt Thut.» Und rings um Kurt Thut Freundinnen und Freunde; Freunde haben sein Leben bereichert in der Zeit der Kunstgewerbeschule, in der Zeit als Architekt, in der Zeit als Unternehmer. Ein dichtes und stabiles Netz. Ab und zu, wenn wir uns treffen und etwas Zeit haben, berichtet er auch von früher – und vom Vater. «Er schickte mich in Fremde. Zuerst nach Lenzburg.» Oder «Als ich nach Zürich kam, sah ich aus wie mein Vater, wenn er im Sonntagsgewand zum Doktor ging.» Oder «Es war dem Vater gleich, dass er Möbel von mir und meinen Freunden machen musste. Stühle und Kästen, die ihm gar nicht gefielen. Immerhin gaben sie einen Mercedes. Ich hatte Freude, wenn ich ihn im grossen Wagen durch Möriken fahren sah.» Und schliesslich schreibt Kurt Thut auf seiner Todesanzeige: «Ich bin am 21. März 2011 gestorben, so wie meine Eltern vor mir.»

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