Die diesjährige Welthauptstadt des Designs: Helsinki Fotos: zVg

World Design Capital: Helsinki

Neben den sportlichen Grossveranstaltung will das Design nicht zurückstehen. Dieses Jahr ist Helsinki die Welthauptstadt des Designs. Unser Korrespondent Joachim Schirrmacher hat sich umgesehen.

«Embedding Design in Life», lautet das Motto der diesjährigen Welthauptstadt des Designs in Helsinki. Klar, Design ist mehr als «desirable objects, wow-architecture, fancy clothes, stylish furnitures or gadgets». Natürlich, «Design is about life». Doch anders als es die Tradition der grossen Gestalter wie Aino und Alvar Aalto vermuten lässt, geht es bei diesem Grossanlass nicht um ein Design, welches die Massen anspricht ohne banal zu sein, sondern um ein politisches Anliegen, wie der Direktor der Worl-Design-Capital Pekka Timonen Hochparterre sagte.

Obwohl Design im finnischen Alltag eine grosse Rolle spielt – ein Unternehmen wie Artek wird geradezu als Volkseigentum wahrgenommen – will Timonen seine Landsleute neu zum Design bekehren. «Durch die Allgegenwart des Designs aus den 1950er und 60er Jahre besteht die Gefahr, dass Finnland zu einem Designmuseum wird. Unsere zentrale Botschaft ist es daher, dass Design sich immer verändert.» Seine Strategie: Er will in einer breiten Öffentlichkeit 1. das Bewusstsein, 2. das Verständnis und 3. die Fähigkeit zum Handel verankern. Und sei es nur, dass seinen Mitbürgern bewusst wird, dass schon heute jeder jeden Tag mit Design konfrontiert ist. Diese politische Ausrichtung wird auch mit verschiedenen Konferenzen verfolgt. So treffen sich Ende November Bürgermeister aus aller Welt zur «Design Policy Conference». Vom 6. bis 16. September tauschen sich Macher der weltweit inzwischen über 100 Design-Festivals zur «International Design House exhibition» aus, und die «European Design Innovation Initiative» der Europäischen Union wird auch noch in Helsinki tagen.

Daneben gibt es ein umfangreiches Programm, welches nach einem Open Call aus über 1'400 Vorschlägen entstand. Timonen sagt selber: «Auf der einen Seite ist diese Zahl ein gutes Zeichen, aber für Aussenstehende ist es schwer sich zurechtzufinden: es gibt keine rote Linie.» Zwar werden die Vorschläge unter  viel versprechenden Sammelbegriffen wie «Rethinking Design» zusammengefasst, aber eine Fachfrau erwartet darunter anderes, als geboten wird. Es ist zwar schwer in Mode, sich offen und transparent zu geben, auch fordert die junge Generation immer stärker ein, als Co-Designer beteiligt zu werden. Doch daraus folgen nicht zwingend gute Projekte. Die Verantwortlichen wollen die Menschen beteiligen, statt moderne Formen der Führung zu übernehmen. So entsteht zwar viel Aufregung, aber leider nicht Qualität für Viele, sondern Beliebiges. Unsere Gesellschaft scheine zu vergessen, dass «jede Art von Kunst Co-Kreationen von Autor und dem Leser/Betrachter» seien, schreibt Juhani Pallasmaa in dem überraschend politischen Magazin Manifest, welches der finnische Hersteller Artek anlässlich des Festivals herausgab. In der finnischen Designszene gibt es den Vorwurf, die Veranstaltung würde von Kulturmanagern organisiert, die nicht im Design verwurzelt sind. «Was bleibt?», ist ihre Frage.

Erst nach langer Recherche wird klar, dass Design dazu genutzt werden soll, das finnische Wohlfahrtsmodell neu zu erfinden. Fachleute finden bei einem Besuch jedoch wenig Informatives. Und dies obwohl Land, Stadt und Wirtschaft 16 Millionen Euro investieren. Mit den Ausgaben aller Projekte werden zusammen sogar 50 Millionen investiert, pro Einwohner Finnlands also rund 10 Euro. Man dürfte erwarten, dass dabei mehr entsteht. Das ist nicht nur schade, sondern schädlich, weil die Zukunft des Europäischen Designs kaum diskutiert wird. Der aktuelle Aufstieg Samsungs und der Abstieg von Nokia ist nur ein Beispiel, wie notwendig diese Auseinandersetzung ist.

Die vorherige World-Design-Capital, Seoul, zeigte wie ernst es dem Land ist, sich über Design zu profilieren. Seoul investierte alleine 180 Millionen Dollar für ein Designcenter von Zaha Hadid mitten in der 14-Millionen Metropole. Dabei ist Südkorea nur eines von vielen Ländern die Design stark fördern. Zu denken ist auch an China, Thailand, Brasilien oder Südafrika, wo 2014 Kapstadt die WDC sein wird.

Noch wird in Europa definiert, was weltweit als Luxus und Status gilt. Aber wie lange noch? Was, wenn die immer stärker werdenden Länder, die aufgrund ihrer Bevölkerungszahl, ihrer Rohstoffe und der Nähe zur Produktion strategisch im Vorteil sind, ihre eigenen Wurzeln entdecken? Die finnischen Wurzeln freilich bieten durchaus Befriedigung. Sie fand ich, wie andere vor mir, bei der Besichtigung der Bauten Alvar Aaltos: «Das totale Environment, das höchste Mass an Integration, das Gestaltung erreichen kann», wie François Burkhardt 1981 anlässlich einer wenig berauschenden Konferenz in Helsinki feststellte.

PS. Die World Design Capital (WDC) ist eine Erfindung des geschäftstüchtigen Peter Zec, während seiner Zeit als ICSID-Präsident. Die Stadt Helsinki zahlt rund 100 000 Euro Lizenzgebühren, so Tapio Kari, Leitender Pressereferent der Stadt Helsinki.

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