Sibylle Stoeckli: «Global Design Research est un voyage sur les 5 continents à la recherche d’une discussion avec des designers et des artisans sur leur discipline et de manière plus large sur les cultures, les coutumes, les savoir-faire, les habitudes.» Fotos: zVg

Kritik und Design

Hat Design kritisches Potenzial? fragt die aktuelle Ausgabe von Hochparterre. Hier zeigen wir die Projekte junger Designer, die sich mit dieser Frage auseinandersetzen. Und eine Literaturliste zum Thema.


Hat Design kritisches Potenzial? Diese Frage stellen sich vor allem junge Designerinnen und Designer. Sie sind idealistisch, wollen Position ergreifen und Design verändern. Im aktuellen Heft stellen wir eine Reihe von Designerinnen und Designern vor. Nachfolgend die genaueren Angaben zu ihren Projekten und eine Literaturliste zum Thema.

Die Projekte


Sibylle Stoeckli,
Global Design Research, ab 2013
2013 ging die Lausanner Designerin Sibylle Stöckli der Frage nach, wie und womit sich Gestalter ernähren. In einer Reise um die Welt sammelte sie Erkenntnisse über alltägliche Essensgewohnheiten und beobachtete, wie Designer ihren Intellekt und Geist ‹speisen›. Depot Basel stellt vom 6. September bis 5. Oktober 2014 eine erste Auswahl ihrer Rechercheergebnisse aus. «La cuisine est une belle métaphore pour imager la création et les choix de consommation que nous pouvons et devons faire aujourd’hui. Ces choix sont à réfléchir tous ensemble, et pas seulement avec des designers», sagt Stoeckli über ihre Arbeit. Zur Eröffnung der Ausstellung soll ein erstes Journal erscheinen, das Sibylle Stoecklis Recherche-Weltreise dokumentiert und gleichzeitig eine Basis für den Dialog über das Konsumverhalten und seine Auswirkungen bildet. In einem zweiten Journal sollen die während der Ausstellung gemeinschaftlich erarbeiteten Erkenntnisse festgehalten und einem breiten Publikum kostenlos zugänglich gemacht werden.

Rico Pengler, Seeking Cycles, 2013
«Fragen um knappe Ressourcen begegnen uns täglich. Dennoch sind die Dinge, die uns umgeben, selten als Kreisläufe gestaltet. Warum Konsumenten Ressourcen verschwenden und welchen Teil Produktgestalter dazu beitragen, ist die hinterfragte Ausgangslage des Projekts 'Seeking Cylces'. Das Projekt ist ein Wissenspool und eine Intervention innerhalb der Diplomausstellung 2013 der Zürcher Hochschule der Künste. Die Arbeit nutzt die Abschlussprojekte der Kommilitonen um ökologische Aspekte aus unserem heutigen Umfeld im Industrial Design zu thematisieren. Ausgewählte Arbeiten werden während der Ausstellung hinsichtlich spezifischer Schwerpunkte in Frage gestellt. Ziel dieser provokativen aber humorvollen Auseinandersetzung ist es nicht, abschliessende Antworten zu finden, sondern das Bewusstsein für unser Tun zu schärfen. Ganz nach dem Credo, 'Nachhaltig handeln heisst besser wissen'. In der Umsetzung werden durch Interventionen an den ausgestellten Abschlussarbeiten interessante aber unangenehme Themen aufgeworfen. Eine interaktive Plattform vermittelt auf spielerischer Art und Weise lustvoll Wissen zu diesen Fragestellungen.»


Christian Pfeifer,
Zürich repariert, 2014
«Die Lampe hat einen Wackelkontakt, der Küchenstuhl kippelt und der Mixer mixt schon lange nicht mehr. Es richten zu lassen wäre schön, aber teuer. Darum: Repariere es selbst! Aber wie? Zürich verfügt über eine erstaunliche Dichte an Angeboten, die beim Selber-Reparieren unterstützen können. Der Reparaturwillige kennt oder nutzt diese aber kaum – so die Erkenntnis der empirischen Untersuchung. Entwickelt wurde «Reparieren am Dienstag» – eine Veranstaltungsreihe für den Dienstagabend in Bars. In diesen Momenten der Musse wird Selber-Reparieren inszeniert. Durch aktive Teilnahme der Besucher wird die Freude daran erfahrbar gemacht und im Gespräch auf bestehende Angebote hingewiesen. Ergänzend zu dieser Vermittlungsstrategie schliesst ein Online-Reparaturatlas die Lücke zwischen Reparaturwilligen und Angebot. Das Projekt ist Anstoss zum Selber-Reparieren, denn: Wer’s einmal macht, wird’s wieder tun!»


Sebastian Marbacher
, Baustellenbank, 2012
«Seit 2012 baue ich Sitzbänke im öffentlichen urbanen Raum. Ich verwende dazu herkömmliche Absperrmaterialien von Baustellen. Aus dem Verbot «Betreten verboten» wird die Einladung, kurz innezuhalten und im städtischen Alltag zu verweilen. Bis heute stand die Bank an mehr als zwanzig Orten. Meist über mehrere Wochen hinweg, geduldet und akzeptiert von Bauarbeiter und anderen Offiziellen. Geschätzt und rege benutzt von der Öffentlichkeit. Die Interventionen geschehen ohne Vorankändigung. Sie beschränken sich fast ausschliesslich auf das Neu-Anordnen von Vorhandenem. Einzig die Stahlhalterungen werden im Voraus abgeändert. Ausgerüstet mit diesen modifizierten Lattenhaltern und einer handvoll Holzkeile gehe ich raus und halte Ausschau nach geeigneten Orten mit Baustellen an welchen das restliche Material vorhanden ist. Wenn die Sitzbank aufgebaut ist, überlasse ich sie sich selbst. Als stiller Beobachter halte ich die Reaktionen der Passanten fotografisch fest.»


Jo-Nanda Teuber
, Es ist Manifest (2012)
«Als Fazit meiner Masterarbeit an der ZHdK stand ein Manifest. Doch im Gegensatz zum herkömmlichen Gebrauch des Manifests war die Idee, dieses Schriftstück zu nutzen, um meinen eigenen Standpunkt jährlich zu reflektieren und diesen Prozess festzuhalten. So entsteht eine Dokumentation der Entwicklung meiner gestalterischen Position. Im Sommer jeden Jahres findet die Überarbeitung statt. Das Manifest hat sich zu einem Vertrag entwickelt. Ein Beschäftigungsvertrag, der eine spielerische Abmachung zwischen mir und der Gestaltung darstellt. Ich habe Paragraphen formuliert, an denen ich versuchen werde mich im nächsten Jahr zu orientieren. Ein Vertrag ermöglicht mir dabei allerdings auch den Vertragsbruch - falls nötig! Und spiegelt noch besser wider, dass es sich hierbei um eine subjektive Aushandlung handelt.»

Zum Weiterlesen:

– Theodor W. Adorno, Funktionalismus heute ( 1965 ), in: Gesammelte Schriften in zwanzig Bänden, Bd. 10: Kulturkritik und Gesellschaft 1. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1977, S. 375 – 395.

– Horst Rittel und Melvin M. Webber, Dilemmas in a General Theory of Planning, in: Policy Sciences 4 ( 1973 ), S. 155 – 169.

– Horst Rittel, Thinking Design. Transdisziplinäre Konzepte für Planer und Entwerfer, Wolf Reuter und Wolfgang Jonas ( Hg. ). Basel: Birkhäuser,  2013.
Wolfgang Fritz Haug, Kritik der Warenästhetik, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 1971.

– Anthony Dunne, Hertzian Tales. Electronic Products, Aesthetic Experience, and Critical Design (1999), Cambridge MA / London: The MIT Press, 2005

– Anthony Dunne, Fiona Raby, Speculative Everything. Design, Fiction, and Social Dreaming, Cambridge MA / London: The MIT Press, 2013

– Katja Gretzinger (Hg.), The Blind Spot - a Manner of Reading Design, Berlin: Sternberg Press, 2012

– Wolfgang M. Heckl, Die Kultur der Reparatur, München: Hanser, 2013

– Institute of Design Research Vienna, Werkzeue für die Designrevolution, Sulgen: Niggli, 2014

– William Morris, Kunde von Nirgendwo: Eine Utopie der vollendeten kommunistischen Gesellschaft (1890), Mit einem Vorwort von Wilhelm Liebknecht, neu hrsg. von Gerd Selle, Köln: DuMont, 1974

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