Stützt sich Design unkritisch auf patriarchale Klischees, übersieht es die Vielfalt der Geschlechter. ‹Depatriarchise Design› untersucht die Schnittstellen von Gender und Design. Fotos: Nadine Schwickart

«Ein Komplize des Patriarchats»

Design ist eine machtvolle Instanz: Sie festigt Verhältnisse, formt uns, schliesst ein oder aus. Die Aktivistinnen Anja Neidhardt und Maya Ober kritisieren diese Macht.

Weshalb braucht es Plattformen zu Gender und Design wie Ihr Projekt ‹Depatriarchise Design›? Maya Ober: Jedes Kollektiv, jede Plattform, die Design aus einer kritischen Perspektive analysiert, ist wichtig. So beginnt Veränderung. Kritik zwingt uns, die Rolle des Designs und seiner Komplizenschaft zu erkennen. Anja Neidhardt: Zum Beispiel die Komplizenschaft mit dem Patriarchat. Obwohl Historikerinnen wie Cheryl Buckley schon in den Achtzigerjahren über Design und Feminismus geschrieben haben, sind Genderfragen noch längst nicht in der Mitte der Disziplin angekommen. Deshalb braucht es den Austausch, den wir fördern wollen. Ist die Geschlechterfrage in den menschen- und nutzerzentrierten Ansätzen etwa des Social Design nicht längst überwunden? Maya Ober: Nein. Wir müssen tiefer ansetzen und uns fragen, was Design eigentlich ist. Wie ist es definiert? Wie wird es kategorisiert, und wie haben diese Kategorien im Lauf der Geschichte Gruppen – wie Frauen, Menschen aus dem globalen Süden, sozial oder körperlich Benachteiligte und andere – ausgeschlossen und marginalisiert? Weshalb gelingt es dem Design in der Praxis bisher so schlecht, marginalisierte Nutzerinnen und Nutzer anzusprechen? Anja Neidhardt: Design ist von der Industrialisierung geprägt, vor allem Produkt- und Industrial Design. Je einfacher und schneller Produkte am Fliessband herzustellen sind, umso mehr können produziert und verkauft werden. Dazu wurden alle Ornamente und sogenannt überflüssigen Dinge weggelassen. Nehmen wir den Thonet-Stuhl Nr. 14: Die Menschen waren schockiert, dass der Stuhl so nackt wirkte, als er 1859 eingeführt wurde. Aber er war auch der erste Stuhl, der in grossen Stückzahlen hergestellt und weltweit verkauft werden konnte. Im Lauf der Geschichte hat man sich immer mehr auf Normen gestützt, um das ‹wahre› Design zu finden, das allen gerecht wird. Normen regelten die Grö...
«Ein Komplize des Patriarchats»

Design ist eine machtvolle Instanz: Sie festigt Verhältnisse, formt uns, schliesst ein oder aus. Die Aktivistinnen Anja Neidhardt und Maya Ober kritisieren diese Macht.

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