Abfalleimer, die ihre besten Tage hinter sich haben.

«Design Finding Mission Moscow» – Teil 1

Im Rahmen einer einmonatigen Research Residency der Pro Helvetia begibt sich die Designerin Gabriela Chicherio in Moskau auf eine Spurensuche nach zeitgenössischem, russischem Design.

Moskau hat offiziell 12.4 Millionen Einwohner. Das sind 31 mal soviel wie Zürich. Eine gewaltige, graue, rohe Milionenstadt. Keine Leichtigkeit. Kein Charme. So meine Vorstellung.

Installation mit Schaukeln im öffentlichen Raum am Triumfalnya Square.

Im Rahmen einer einmonatigen Research Residency der Pro Helvetia begebe ich mich auf Spurensuche. Meine Mission: wie steht es um das zeitgenössische, russische Design? Gibt es einen postsowjetischen Stil? Findet man hauptsächlich konstruktivistisch-kommunistische Zitate oder gibt es eine neue, russische Formensprache? Was ist mit der Alltagskultur? Wie stehen die Leute zum Konsum? Was wird in Russland überhaupt produziert? Gibt es ein Verständnis für Design? Wie steht es bald 30 Jahre nach dem Fall der Sowjetunion und des Kommunismus und der damit einhergehenden Öffnung zum westlichen Markt? Sind internationale Megatrends wie Lokalismus, Nachhaltigkeit, Digitalisierung auch in Russland ein Thema?

«Arbeiterclub» von Alexander Rodtschenko aus den Zwanzigerjahren. Ausgestellt in der Neuen Tverskaya Gallerie in Moskau und auch noch bis am 7. April 2019 im Kunstmuseum Lichtenstein.

Die ersten Reaktionen auf meine Fragen sind oftmals ähnlich: «Zeitgenössisches Design? In Russland? Ähm... keine Ahnung.» Und dann erhalte ich ganz viele Tipps für Museen mit Kunsthandwerk, oder Sowjet-Propaganda-Produkten, konstruktivistische Architektur, Fotografie, non-konformistische Kunst oder Projekte von finnischen oder holländischen Designerinnen und Designern. 

Grafik am Schaufenster einer Eisdiele. Glacé gibt es auch bei Minustemperaturen.

Fakt ist: In Russland gibt es keine Tradition von kleineren oder mittleren Produktionsbetrieben wie etwa in Italien oder der Schweiz – oftmals Familienbetriebe, die seit Generationen Wissen und Expertise ansammeln und sich stetig weiter entwickeln. Die Produktionskultur basiert auf gigantischen – und oft nicht sehr wirtschaftlichen – ehemaligen Staatsbetrieben, die in der Zwischenzeit entweder geschlossen wurden oder als Grosskonzerne weiter wirtschaften. Die enorme Bürokratie erschwert das Aufkeimen von neuen Strukturen.

Die beeindruckenden Moskauer Metrostationen. Hier im Bild «Elektrozavodskaya».

Aber eine dynamische und rapide wachsende Millionenstadt wie Moskau versinkt nicht in postsowjetischem Gejammer. So fallen bereits zum Anfang spannende, alte und neue, grössere und kleinere Projekte aus verschiedenen Disziplinen auf und machen Lust auf mehr, wie die kleine Bildergalerie zeigt. Im zweiten Teil meines Berichts werde ich in zwei Wochen auf zeitgenössische Designerinnen, Designer und Projekte eingehen – so zumindest der Plan.

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