«Das Buch ist eine Kampfschrift. Im Kern geht es um den Neubau der Bayrischen Staatskanzlei.», schreibt der Stadtwanderer.

Durch München zu Rade

Mit dem Buch «Entwürfe für München» im Gepäck fuhr ich mit dem Velo durch München. Ich traf auf verpasste Chancen, vor allem aber auf die Wirklichkeit. Sie ist brutal und fährt BMW.

Im Gestell suchte ich ein Buch und fand ein anderes: Stephan Braunfels: Entwürfe für München. Da ich eine Woche nach München fuhr, war der Stadtführer gefunden. Ich las ihn im Zug und beschloss, mit dem Velo die Probe aufs Exempel zu machen und alle Orte aufzusuchen, für die Braunfels Verbesserungsvorschläge machte. Man kann ja Städte der Nase nach erkunden, diesmal hingegen ging ich planmässig vor. Erschienen ist das Buch 1987. Es ist eine Kampfschrift. Im Kern geht es um den Neubau der Bayrischen Staatskanzlei. Vom einstigen bayrischen Kriegsmuseum war 1945 nur noch der Mittelbau mit einer Kuppel übriggeblieben. Franz Joseph Strauss war bis 1988 bayrischer Ministerpräsident und Bayern gehörte seiner CSU. Die wollte die Ruine in ein repräsentatives Beamtenschloss integrieren, was Braunfels (*1950) energisch bekämpfte. Das Buch ist eine Zusammenfassung seines damaligen Widerstands. Die Faust des Architekten gehört auf den Zeichentisch, nicht in den Sack. Heute so vierzig Jahre später schaute ich mir zuerst den Neubau der Staatskanzlei des Architekturbüros Siegert an. Ein Pösteler. Der Zentralbau mit der Kuppel ist sorgfältig renoviert, links und rechts schliesst eine schwarzgläserne Wand an, die mit Spinnenbeinen, pardon, weissen schlanken Stützen überzogen ist. Zwei steinerne Kisten, wer will, darf sich an Klenzes ägyptische Pylone von Königsplatz erinnert fühlen, sagen energisch: Schluss jetzt. Es ist also ein symmetrischer Dreisprung. Der Tempel mit der Kuppel in der Mitte, die dunklen Wände anschliessend und die hellen Türme als Abschluss. Auch München hatte ein Stück Postmoderne zugut. Jetzt steht es da und ist so pompös und langweilig, wie das Braunfels voraussagte. Der Dreifachmocken repräsentiert den Freistaat Bayern, neureich, technoid, grobschlächtig. Die Staatskanzlei raubte mir einen Glauben. Es nütze nichts, dagegen zu sein, erst wenn m...
Durch München zu Rade

Mit dem Buch «Entwürfe für München» im Gepäck fuhr ich mit dem Velo durch München. Ich traf auf verpasste Chancen, vor allem aber auf die Wirklichkeit. Sie ist brutal und fährt BMW.

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