Was jetzt? Selten, aber manchmal passiert’s mir, dass ich zuhöre. Dann nämlich, wenn der Ton besonders ist, schreibt der Stadtwanderer.

Der kühlfeurige Ton

Paul Nizon? Gähn. Ein langweiliger Egomane. Meinetwegen, spricht das innere Ohr, aber hör doch einmal zu. Der Sound ist überwältigend. Eine Wiederentdeckung.

Es ist mir passiert. Ich habe ihn nicht gesucht: diesen Paul Nizon. Eine Wohnung wird geräumt, ich sei doch sicher an Büchern interessiert und auf der Rückfahrt im Zug gerät mir «Swiss made» in die Finger, ein handliches Format, zitronengelb, geschrieben von Paul Nizon. Ach ja, erinnerte ich mich, der war doch mal an einer Architektenschnurrete dabei, ich als der Durch-die-Sendung-führt. In Basel so um 1980. Da trat dieser zerknittere, graue Mann aus Paris auf, in die Aura des Erwählten gehüllt. Ihm war nicht wohl auf dem Podium, das Publikum war nicht seines, das Thema interessierte ihn nicht. So redete er denn auch gequält und wenig. Die versammelten Architekten fragten sich, was hat er nur? Er litt. Leiden, das merkte ich erst später, war sein Beruf. Edles Leiden selbstverständlich, nicht in Not sein oder gar Unterdrückung erdulden müssen. Nein, die Leiden des intellektuellen Bodenpersonals als da sind: Zu wenig Anerkennung, zu wenig Ruhm, zu wenig Liebe. Danach war Nizon für die nächsten vierzig Jahre nur noch ein Stichwort. Immer, wenn in der Zeitung etwas über ihn zu finden war, las ich’s und habe unterdessen so 20 Zeitungsausrisse gesammelt: Das Mäppli Nizon. Und nun «Swiss made». Es ist eine Aufsatzsammlung, die er als Kunstkritiker geschrieben hatte, erschienen 1971, kurz nach dem «Diskurs in der Enge» und, wie er im Vorwort schreibt, zuerst als Anhang dazu gedacht. Nizon gab das schmale Büchlein in «Hommage- und Porträt-Form» als eigenständige Publikation heraus. Ich spüre als Leser, wie der Autor Nizon die Künstler besucht und mit ihnen redet, eine persönliche Beziehung zu ihnen aufbaut und sie als mitbewegter Beobachter in einem Text zu fassen sucht. Es sind Leute, die um 1965 im Beobachtungsstreifen stehen: Varlin, Alberto Giacometti, Hans Josephson, Max von Moos, Hans Aeschbacher, Bernhard Luginbühl, Karl Jakob Wegmann, Robert Müller, Wal...
Der kühlfeurige Ton

Paul Nizon? Gähn. Ein langweiliger Egomane. Meinetwegen, spricht das innere Ohr, aber hör doch einmal zu. Der Sound ist überwältigend. Eine Wiederentdeckung.

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